: Bahn will den Berliner Knoten zerschlagen
Die Bahn plant, bei mehreren zentralen Projekten des Fernbahnkonzepts den Rotstift anzusetzen: Verzicht auf den Bahnhof Papestraße und die Dresdener Bahn, Umweg für den Airport-Express. Die Pläne sind auf breite Kritik gestoßen
Die Ankündigung von Bahnchef Hartmut Mehdorn, wegen Finanzierungsschwierigkeiten mehrere zentrale Projekte des Bahnknotens Berlin zu streichen, ist gestern auf breites Unverständnis gestoßen. „Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen“, sagte ein Sprecher des Bundesverkehrsministeriums. Der Bund ist alleiniger Eigentümer der Deutschen Bahn AG.
Die Rotstiftpolitik der Bahn war gestern bekannt geworden. Damit will die Bahn Kostensteigerungen finanzieren, die beim Bau des Tiergartentunnels und der ICE-Strecke Köln–Frankfurt aufgetreten sind. Die Einschnitte: Verzicht auf den Bahnhof Papestraße, zudem sollen im Tiergartentunnel nur zwei statt vier Gleise verlegt werden. Den baufälligen Bahnhof Ostkreuz will die Bahn nur zum Teil sanieren, zudem soll auf den Aufbau der so genannten Dresdener Bahn verzichtet werden. Über diese Trasse in Marienfelde soll der Airport-Express geführt werden, der den künftigen Großflughafen mit dem Lehrter Bahnhof verbindet.
Die Bahn will den Airport-Shuttle statt dessen über die Anhalter Bahn in Lichtenrade führen – ein deutlicher Umweg, der laut Mehdorn bis zu sieben Minuten Zeit kosten würde. Hier wie geplant im 15-Minuten-Takt fahren zu können ist allerdings illusorisch – auf der Strecke sollen sämtliche Züge aus dem Südwesten in die Stadt. „Das können sich nur Betriebswirtschaftler, aber keine Verkehrsplaner ausgedacht haben“, schimpfte gestern der SPD-Experte Christian Gaebler.
„Die Dresdener Bahn ist für Berlin unverzichtbar“, sagte gestern eine Sprecherin der Verkehrsverwaltung. Für deren Ausbau gebe es eindeutige Verträge. Die dafür zugesagten Mittel könne die Bahn nicht einfach auf andere Projekte umschichten.
Immerhin würde der Verzicht auf den Bahnhof Papestraße das gesamte Fernbahnkonzept für Berlin, das so genannte Pilz-Modell, in Frage stellen. Der Bahnhof war ursprünglich als zweitwichtigste Station Berlins mit mehr als 200.000 Reisenden täglich geplant und sollte den Lehrter Bahnhof entlasten. Dort könnte nun das Chaos ausbrechen. Laut Bahn soll es statt vier nur zwei Gleise mit zwei Bahnsteigen auf der Nord-Süd-Achse geben – damit können weniger Züge abgefertigt werden.
Entsprechend harsche Reaktionen querbeet: Der Knoten Berlin solle zu einem Verschiebebahnhof werden, kritisierten die Grünen. Die Bundesregierung müsse die „Berlin-Blockade von Bahnchef Mehdorn aufheben“, forderte die CDU.
Allerdings sind noch nicht alle Würfel gefallen. Branchenkenner vermuten, dass es Mehdorn mit seinen in den Medien lancierten Erpressungsvorgaben vor allem um eines geht: mehr öffentliche Gelder zu bekommen. RICHARD ROTHER
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