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BVG: Pöbeln statt fahren

Busfahrten mit der BVG können zum Horrortrip werden. Statt Freundlichkeit der Fahrer herrschen Befehlston und Beleidigungen: Zwei Fälle, bei denen die Fahrgäste aus dem Bus geworfen wurden

von BARBARA BOLLWAHNDE PAEZ CASANOVA

Fall 1: Der 64-jährige Physikprofessor Dumitru Cucu ist seit über 15 Jahren Diabetiker. All die Jahre hat er es geschafft, ohne Insulinspritzen auszukommen. Indem der gebürtige Rumäne, der als Vertriebener nach Berlin kam, mehrmals täglich kleine Mengen Essen zu sich nimmt, reguliert er dseine Blutzuckerkonzentration. Dass er häufig in die Tasche fasst und Essen zu sich nimmt, hat bisher niemand gestört. Bis er letzten Mittwoch – in der Hand ein Sandwich – am Theodor-Heuss-Platz in einen Bus stieg.

„Sie dürfen im Bus nicht essen!“, fuhr ihn der Fahrer an. Obwohl Cucu diese Verordnung unbekannt war, steckte er das Brötchen weg. Doch wenige Minuten später verlangte sein Körper nach Essen. „Mit etwas Angst nahm ich mir ein kleines Stück und machte die Tasche wie ein Dieb wieder zu“, erzählt er. Als der Fahrer eine Haltestelle anfuhr, forderte er Cucu auf, den Bus zu verlassen. Cucu, der es nicht für erforderlich hielt, dem Fahrer seine Krankheitsgeschichte zu erzählen, verlangte eine Erklärung und bekam als Antwort: „Ich habe dir verboten zu essen. Geh raus, sonst rufe ich die Polizei!“

Der Fahrer rief nach Rücksprache mit der Leitstelle der BVG die Polizei. Cucu, der mehrere Filteranlagen entwickelt hat, von denen eine nach seinen Angaben witzigerweise auch in den Betriebsbusbahnhöfen der BVG zu finden ist, und der sich als „disziplinierten Bürger“ beschreibt, stieg aus. Nachdem die Beamten mit dem Fahrer gesprochen haben, sei ein Polizist zu ihm gekommen. Cucu erzählte, dass er Diabetiker sei und häufig essen müsse. Die Antwort des Polizisten: „Seien Sie still, sprechen Sie, wenn Sie an der Reihe sind.“ Die Polizisten sagten ihm, dass er nicht mehr in den Bus dürfe. Cucu, der Deutschland auf vielen Kongressen vertreten hat und sich wie „ein Ganove“ behandelt fühlte, geht es ums Prinzip: „Ich akzeptiere es, wenn es verboten ist, im Bus zu essen, aber es muss Ausnahmen geben.“

Fall 2: Eine einprägsame Busfahrt hat auch Gaby Schäfer hinter sich. Die 33-jährige Studentin wollte in der vergangenen Woche, in der Nacht vom Donnerstag auf Freitag, am Wittenbergplatz einen Nachtbus Richtung Bahnhof Zoo nehmen. Gegen 2.30 Uhr stieg sie ein, zeigte ihre Monatskarte vor und ging aufs Oberdeck. Weil der Busfahrer nach ihren Angaben „etwas Unverständliches murmelte“, ging sie wieder runter, zeigte ihm erneut ihren Fahrschein und nahm wieder auf dem Oberdeck Platz.

Doch der Bus, in dem nur sehr wenige Fahrgäste waren, fuhr nicht los. Stattdessen sei der Busfahrer zu ihr hochgekommen und habe zu ihr gesagt: „Der Bus fährt nicht weiter.“ Als sie fragte, warum, bekam sie eine Antwort, mit der sie nicht gerechnet hat: „Weil Sie Türkin sind und weil Sie frech sind.“ Gaby Schäfer, die eine armenische Mutter und einen deutschen Vater hat, in Deutschland geboren und aufgewachsen ist und häufig als Ausländerin angemacht wird, war so perplex, dass sie der Aufforderung des Busfahrers nachkam und ausstieg. „Kaum war ich auf der Straße, fuhr der Bus los“, erzählte sie weiter. Sie selbst nahm sich ein Taxi, um nach Hause zu kommen.

Noch in der gleichen Nacht beschwerte sie sich bei einer Servicenummer der BVG. Gaby Schäfer betont, dass es mit dem Busfahrer vor dem Rauswurf weder einen Wortwechsel noch sonst irgendeinen Grund für die rüde Behandlung gegeben habe. Als sie am nächsten Tag beim BVG-Kundendienst anrief, wurde ihr eine schriftlich Stellungnahme versprochen, auf die sie bis heute wartet.

Weil sie das Gefühl hatte, dass die Verkehrsbetriebe den Vorfall nicht so richtig ernst nehmen, erstattete sie am vergangenen Sonntag Anzeige wegen Beleidigung und Verstoß gegen die Beförderungsbedingungen. „Ich will kein Märtyrerdasein“, betont Gaby Schäfer, „aber das Verhalten des Fahrers ging entschieden zu weit.“ Zudem hat sie den Vorfall im Büro der Ausländerbeauftragten vorgetragen. Die Behörde von Barbara John will sich ebenfalls an die BVG wenden.

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