: Zum Chef gerufen
Der katholische Bischof Johannes Dyba ist tot. Er starb gestern 70-jährig in Fulda. Er war einer, der mit Lust provozierte – nicht nur Knaben. Ein Nachruf
FRANKFURT/MAIN taz ■ Die vierschrötige Figur, das verschmitzte, runde Gesicht mit den dunklen Augenbrauen, der joviale Ton eines Genießers – zweifelsohne, Johannes Dyba war ein barocker Kirchenfürst. Gestern ist er im Alter von 70 Jahren in Fulda gestorben. Seit 1983 regierte der katholische Bischof sein irdisches Königreich, die Erzdiözese Fulda, mit der harten Hand des Inquisitors. Eines mächtigen, mit reaktionärer römischer Hausmacht dazu. Und eines unter all der populistischen Leutseligkeit gefährlichen. Manch Betroffener mag dem Himmel gedankt haben, dass Dyba nicht über Scheiterhaufen, sondern nur noch über Geldhähne gebot. Die drehte er der katholischen Jugendorganisation genau wie den Schwangerschaftsberatungen zu.
Dyba schien manchmal fast verliebt in sein Selbstbild als orthodoxer Außenseiters. Er pflegte es mit Wortgewalt. Wenn er hasste, dann gründlich, laut und ausdauernd. Homosexuelle, Feministinnen, katholische Laienorganisationen bekamen das zu spüren. Wenn aber Selbstzufriedenheit eine Sünde sein sollte, dann hat Dyba sie mit Methode nicht ausgelassen. Er provozierte mit Lust und betrachtete die von ihm verursachte empörte Reaktion als Bestätigung der Intoleranz seiner Gegner. Und dann strahlte der sich so selbst seligmachende Oberhirte, der immer für eine Überraschung gut war, vergnügt in die Kameras.
Als Kind hatte er Boxer, Pilot oder Missionar werden wollen. Dyba – eitel und begabt – hätte durchaus auch ein berühmter Strafverteidiger sein können. Jura und Philosophie studierte er mit Stipendium. Als Theologe stieg er früh in die vatikanischen Machtzirkel auf, sammelte als Absolvent der hauseigenen Diplomatenakademie Auslandserfahrungen in Argentinien, den Niederlanden, in Zaire und Ägypten. Seit 1983 war er neben dem Kölner Kardinal Meisner eines der besonders schwarzen Schafe in der Deutschen Bischofskonferenz und galt als Quertreiber und orthodoxer Außenseiter. Schwangerschaftsabbruch, Frauenordination, Laienbeteiligung, homosexuelle Ehe, säkularistische Umtriebe in der Kirche waren ihm ein Gräuel. Erst vor einer Woche hatte er den Rücktritt von einem Amt angekündigt, das ihm ein Jahrzehnt lang fast auf den Leib geschneidert war, das des Militärbischofs.
Ein Maschinengewehr Gottes US-amerikanischer Prägung ist er trotz aller Mediengerechtigkeit nie geworden. Keine langen Salven, er blieb altertümliche Feuerwaffe, vom Kanonischen Recht auf die Kanone gekommen, mit lautem Krach und reichlich Pulverdampf. Ein Märtyrer war er nicht, denn den Rückstoß hat er immer gut vertragen können. Dyba starb am frühen Sonntagmorgen völlig überraschend in seinem Bischofssitz. HEIDE PLATEN
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen