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Wie Phönix aus der Vulkan-Asche?

■ Seit zwei Jahren wird der Vulkan vertickt: Heute ist fast alles vermietet / Die Bilanz: 150 neue Arbeitsplätze, 150 Umzieher, viele alte Vulkanesen in neuen Kleidern an allerneuesten Maschinen / Viel Nostalgie und auch ein wenig Zukunft in Vegesack

Dem Namen haftet immer noch Industriebrache an: Vulkan. Das riecht förmlich nach Asche, Kahlschlag, Stillstand. Das Gegenteil zu beweisen, war die stadteigene Bremer Investitions Gesellschaft (BIG) gestern angetreten: Zwischenbilanz nach zwei Jahren Umstrukturierung. Präsentiert wurden viele kleine Phönixe, die sich in der Vulkan-Asche pudelwohl fühlen und das Arbeitsplatzkonto ins Plus hieven sollen.

Gefordert war gestern festes Schuhwerk, ein Blick für Gabelstaplerfahrer, die selten irgendwelchen Pressetrupps ausweichen, sowie häppchenweise Zeit für vier Firmen, die vom Vulkan-Gelände schwärmen. Unisono proklamieren deren Geschäftsführer, Prokuristen und geschäftsführende Gesellschafter die firmenstrategischen Hauptattraktionen der Vulkanfläche: die Nähe zum Wasser, vorhandene Infrastruktur (Krahn, Schienen) und die großen Hallen. In denen nun Stahl- und Baufirmen, Speditionen, Dienstleister und so weiter bezogen haben.

Unbenutzt bleibt dagegen der rote Bockkran, der riesengroß am Boden kauert. Das letzte Relikt der Werft, 1.350 Tonnen Stahl schwer, die keiner der Post-Vulkan-Start-ups mehr brauchen kann und die jetzt auf Übersee-Käufer warten. „Der Markt für Bockkräne ist überschaubar“, berichtet BIG-Pressesprecher Thomas Diehl. Gerade mal drei Interessenten sind für den gebrauchten Vulkan-Riesen noch im Gespräch.

Vier Jahre nach dem Vulkan-Konkurs verlassen heute 100-Meter-Stahltürme für Windräder die Vegesacker Hallen. Oder Kunststoff-Sonderanfertigungen für die Expo. „Der Beginn einer neuen Zeitrechnung“, befindet die BIG, die inzwischen 52 Firmen auf der Ex-Brache zählt. Klein- und mittlere Betriebe meist: von der Ein-Mann-Firma bis zu zwei Unternehmen, auf deren Konto jeweils 100 Gehaltsabrechnungen gehen. „Firmen, die man nicht unbedingt in seiner Nachbarschaft haben will“, gesteht Diehl. Die am Standort Vulkan bestens aufgehoben wären.

Auf Grünflächen draußen vor der Stadt – ohne Frage – hätte Günther Stachowki einen einfacheren Job. Hier muss der Betriebsleiter der BIG mehrere Baustellen unter einen Hut bringen. 120 Millionen Mark investiert allein die BIG, um die Vulkan-Fläche rundum zu sanieren. Gleichzeitig legen die neuen Mieter los, die Hallen und Schienen nach Bedarf anzupassen. Stachowski rennt dazwischen, ist „Kummerkasten für alle“ und betreut noch neuere Mieter.

Allzu viel Platz hat Stachowski allerdings nicht mehr anzubieten. Die Freiflächen sind fast komplett weg. „Der Bedarf ist gestillt“. Hallen und Büros zu immerhin 80 Prozent vermietet. Das Vermieter-Dasein der BIG allerdings soll ein Ende haben. Noch in diesem Jahr sollen erste Teile verkauft werden.

Noch mehr gute Nachrichten, bilanziert BIG-Sprecher Diehl stolz: „1.050 fest angestellte Mitarbeiter, Tendenz steigend.“ So viel wie in der allerletzten End-End-Phase des Vulkans. Damit will man dem „subjektiven Gefühl“ vom andauernden Vulkan-Kahlschlag in Vegesack beikommen.

Genau genommen ist ein Großteil der Vulkanesen auf dem Gelände bei neuen Firmen geblieben. Die bgm Service Nord GmbH zum Beispiel. Prokurist Wolfgang Lüth macht heute nicht viel anderes als früher: Wartung und Instandhaltung auf dem Gelände. Früher für Vulkan. Heute für die BIG. Mit dem „Know-how als Faustpfand“ hat Lüth inzwischen 39 seiner ehemals 120 Kollegen in Lohn und Brot.

Andere Firmen, die ursprünglich aus Bremen ins günstige Gewerbe-Umland ziehen wollten, landeten schließlich auf dem Vulkan, wo Qudratmeterpreise von fünf bis sieben Mark locken. Mit derlei Mundpropaganda hat die BIG Wegziehwillige auf den Vulkan aufmerksam gemacht. „Die meisten Firmen kamen von ganz alleine“, strahlt Stachowski, der für Marketing keine müde Mark ausgegeben haben will. Insgesamt 150 Arbeitsplätze sind innerhalb Bremens umzogen. „Ein wesentliches Element unserer Arbeit ist es, Standortpflege zu betreiben, Arbeitsplätze zu sichern“, erklärt auch Pressesprecher Diehl. Unterm Strich bleiben nur 150 Arbeitsplätze, die neu am Standort Bremen entstanden sind. Weitere sollen Egerland und Daewoo ins Land bringen.

Alles nichts gegen früher. Früher war das 50-Hektar-Gelände voll mit Arbeitern. 2.500 in guten Zeiten. Doppelt so viel in allerbesten Zeiten. Die damals mit Fahrrädern durch den Vulkan kurvten, vor Pommesbuden pausierten. Heute dagegen sieht man überhaupt keine Leute mehr, erzählt einer der neuen Stahlarbeiter und Ex-Vulkanesen: Die sind alle in den Hallen und arbeiten. Aber: „Die Maschinen sind zu hundert Prozent leistungsfähiger. Was haben wir früher eigentlich gemacht?“, wundert er sich. pipe

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