: China hat die Wahl: Entweder ertrinken oder verdursten
Die Volksrepublik hat ein Wasserproblem: Ein Teil des Landes leidet unter Hochwasser. Ein anderer unter andauernder Dürre. Ein umstrittenes Kanalprojekt soll Abhilfe bringen
Fast jeden Sommer macht China durch die Überschwemmungen seiner Flüsse Schlagzeilen. Auch in diesem Jahr sind nach offiziellen Angaben seit Beginn der Regenzeit im Juni schon mindestens 564 Menschen in Fluten oder Schlammlawinen umgekommen.Weniger schlagzeilenträchtig als das jährliche Hochwasser, aber in den Auswirkungen noch viel dramatischer ist jedoch Chinas große Wasserknappheit. Nach Berechnungen des Ökonomen Daniel Gunaratman von der Weltbank verursachen Chinas Fluten pro Jahr Schäden von umgerechnet um die 10 Milliarden US-Dollar. Die Kosten an Ernteausfällen (17 Prozent) und bei der Industrieproduktion durch die Wasserknappheit berechnet er jedoch mit rund 35 Milliarden Dollar.
In diesen Sommer wird die Wasserknappheit noch durch eine ungewöhnliche Dürre verschärft. In manchen Gegenden hat es bereits seit 20 Monaten nur wenig geregnet, in anderen Gebieten seit März. Als Folge müssen nach einem Bericht der offiziellen China Daily zur Zeit über 100 Städte vor allem in den nordöstlichen Provinzen Shanxi, Shandong, Liaoning, Jilin, Heilongjiang und Shaanxi die Wasserversorgung stark einschränken. In Shanxi sind bereits die Hälfte der Flüsse ausgetrocknet, viele Stauseen sind leer. Daran haben auch die Regenfälle in der vergangenen Woche nichts geändert.
Nach Angaben des Ministeriums für Wasserressourcen leiden auch ohne die außergewöhnliche Dürre bereits ein Fünftel der landwirtschaftlichen Flächen und 400 der 670 chinesischen Großstädte unter Wasserknappheit, darunter die Metropolen Peking, Shanghai und Tianjin. In den 90er-Jahren verschärfte sich der Mangel. Der Gelbe Fluss, der Hauptstrom Nordchinas, trocknet schon seit 1985 stellenweise aus und erreicht dann seine Mündung nicht mehr. 1997 war dies sogar an 227 Tagen des Jahres der Fall.
Pro Kopf stehen jedem Chinesen mit 2.300 Kubikmetern nur ein Viertel der weltdurchschnittlichen Wasserreserven zur Verfügung. Wegen der starken Nachfrage sinkt der Grundwasserspiegel in den Städten dramatisch. In Peking sank er seit Ende der 60er-Jahre um 60 Meter, um 2,6 Meter allein im letzten Jahr. Es gibt deshalb sogar schon Vorschläge zur Verlegung der Hauptstadt. Die Regierung sieht die Wasserknappheit inzwischen als eines der größten Hindernisse für die weitere wirtschaftliche Entwicklung des Landes. Auch befürchtet sie politische Instabilität als Folge des Wassermangels.
Das knappe Wasser ist zudem meist auch noch kontaminiert. 70 Prozent der Bevölkerung haben keinen Zugang zu gesundheitlich unbedenklichem Trinkwasser. Nur die Hälfte des Wassers wird wieder aufbereitet. Doch trotz der Knappheit ist Wasser in China sehr preiswert, weil es hoch subventioniert wird. Der Preis für die Bewässerung wird nach der Größe der Felder berechnet und nicht nach dem Verbrauch. Im Schnitt bezahlen die Bauern in Nordchina für das Wasser so nur ein Zehntel seiner Kosten. Dieses Preissystem fördert die Verschwendung. Laut Wang Yucheng, dem Minister für Wasserressourcen, wird nur nur 40 Prozent des Wassers für die Bewässerung der Felder effizient genutzt. Ähnlich verschwenderisch geht die Industrie mit Wasser um.
Abhilfe verspricht sich die Regierung jetzt von einem 12 Milliarden Dollar teuren Großprojekt, das auf Mao Tse-tung zurückgeht. Schon 1952 wollte der Große Steuermann Wasser des Jangtse aus dem Süden durch ein System von Kanälen und Rohrleitungen in den wasserarmen Norden umleiten. Damals verhinderten die enormen Kosten und technische Schwierigkeiten das Projekt. Anfang des Jahres segnete die staatliche Planungskommission das Projekt ab, nächstes Jahr könnte begonnen werden. Das Projekt ist jedoch auch in Regierungskreisen umstritten. SVEN HANSEN
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