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Geschichten aus der reisenden Sardinenbüchse

Zeit sparen, Popstars treffen, Kaviar knabbern – die Concorde, teuer und Mach-2-schnell, stand bislang vor allem für eines: kecken Luxus

BERLIN taz ■ Wer Zeit gewinnen will, fliegt mit der Concorde. Und das ist wörtlich zu verstehen. Denn eilige Manager, die morgens um 10.30 Uhr in London in die Concorde steigen, sind um 9.45 Uhr Ortszeit in New York. Ob sie dann auch jünger aussehen, ist nicht überliefert.

„Arrive before you leave“, so lautet ein Slogan der Fluggesellschaft British Airways, die sieben Concordes in ihrer Flotte hat. Ein vierstündiger Überschallflug gen Westen in eine Stadt, die eine um Stunden nach vorne verschobene Ortszeit hat, hilft Zeit sparen. Und das ist wichtig für wirtschaftliche Größen wie etwa dem Bertelsmann-Chef Thomas Middelhoff oder dem Deutschen-Bank-Star Edson Mitchell, die mit dem schmalen weißen Superflieger von Konferenz zu Konferenz jetten. Middelhoff könnte ohne die Concorde die globalisierte Wirtschaft nicht voranbringen und Mitchell seinem Zahnarzt nicht die Treue halten. Als Mitchell einmal der Zahn puckerte, ließ er sich kurzerhand zum Londoner Flughafen Heathrow chauffieren. Dort bestieg er die Concorde Richtung USA, sein Zahnarzt praktiziert nämlich in New York. Das jedenfalls überlieferte das Wall Street Journal.

Kein Wunder also, dass die Linienflüge mit der Concorde (Return-Ticket: ab 10.700 Mark) für viele Manager zum Prestige gehören und von Untergebenen oft neidvoll kommentiert werden: „Die Concorde muss ja eigentlich nicht sein!“ Muss sie auch nicht. Aber wenn es nicht aufs Geld ankommt, ist auch nichts gegen sie einzuwenden. Außer man leidet unter Platzangst. Die Beinfreiheit ist zwar großzügig, aber die Decke fällt auf den Kopf. Nur der norwegische Lachs, der russische Kaviar und der Champagner können darüber hinwegtrösten, dass man sich freiwillig in einer Sardinenbüchse über den Atlantik schießen lässt.

Mach-2, doppelter Schall, so schnell fliegt die Concorde. Im Linienflug startet die Concorde von London oder Paris und fliegt nach New York. Zu 80 Prozent reisen Geschäftsleute, die Concorde-Flüge der British Airways haben eine durchschnittliche Auslastung von 65 Prozent. Reiseveranstalter oder Privatleute können das Flugzeug auch chartern. Kostenpunkt: 550.000 Mark. Bei diesem Preis bevorzugen es jedoch selbst gut betuchte Popstars, lieber Linienflug zu buchen. Außerdem kommt man sich näher. Die Popsängerin Mariah Carey schüttete in der Concorde ihrer Kollegin Diana Ross ihr Herz aus und klagte über Eheprobleme. Madonna fliegt mit der Concorde, Michael Jackson und Boxer Mike Tyson. Rocksänger Phil Collins konnte dank der Concorde an einem Tag zwei Konzerte geben: eins in London und eins in New York.

„Beyond First Class“ sei die Concorde „The Ultimate Journey“, so wirbt der amerikanische Reiseveranstalter „Rex-Travel“. Ob das auch künftig so sein wird, ist fraglich. Die Air France lässt ihre Concorde-Flotte erst einmal ruhen. British Airways teilte jedoch mit, dass ihre Concorde wieder heute früh wie gehabt in London-Heathrow um 10.30 Uhr abheben wird. BD/ROGA

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