Professioneller Protest verboten

Arbeitslosenverein soll Geld zurückzahlen, weil seine ABM-Kräfte gegen Arbeitslosigkeit demonstrierten  ■ Von Kai von Appen

Zwischen dem DGB und dem Hamburger Arbeitsamt bahnt sich ein heftiger Konflikt an. Streitfrage: Darf eine vom Arbeitsamt finanzierte und in einem politischen Verein eingesetzte ABM-Kraft die politische Aktivitäten des Vereins unterstützen? Hamburgs Arbeitsamt sagt „nein“ und droht dem „Verein zur Betreuung von Arbeitslosen und Arbeitslosenselbsthilfegruppen“ damit, 980.000 Mark zurückzufordern, weil ABM-MitarbeiterInnen 1997 und 1998 während der Arbeitszeit an Demos gegen Erwerbslosigkeit teilgenommen haben. Der Vereinsvorsitzende, Hamburgs DGB-Chef Erhard Pumm, wehrt sich gegen „die politische Einflussnahme des Arbeitsamtes“ auf die Arbeit eines freien Trägers und kündigt bei einem Präzedenzfall Klage vorm Sozialgericht an.

Ein anonymer Brief ans Arbeitsamt brachte den Stein ins Rollen. Darin wurde berichtet, dass ABM-MitarbeiterInnen des Vereins an den Demos teilgenommen haben, während der Arbeitszeit Transparente gegen CDU-Bundeskanzler Helmut Kohl gemalt und Flugblätter auf vereinseigenen Kopierer erstellt hätten. Das Arbeitsamt sieht darin – obwohl es keine Richtlinien gibt – einen Verstoß gegen die „Zuwendungskriterien“.

„Die Leute haben schlicht und ergreifend ihre Jobs gemacht“, weist Geschäftsführer Helmuth Dieckwisch die Vorwürfe zurück. Pumm ergänzt: „Wir machen Sozialarbeit und politische Arbeit.“ Natürlich habe man als Verein bei den bundesweiten Arbeitslosenaktionen mitgemacht. Pumm nennt es „weltfremd“, wenn von Erwerbslosigkeit betroffene Menschen auf die Straße gehen, um für eine „andere Politik“ zu demonstrieren, und ihren Sozialbetreuern würde eine Teilnahme verwehrt. Pumm: „Dann hätten wir die Arbeitslosen im Regen stehen lassen.“

Eine Entscheidung des Arbeitsamtes gegen den Verein könnte auch für andere freie Träger (Jugendverbände, Beratungsstellen, Kirchliche Träger) Bedeutung haben. Daher hat Pumm DGB-Vizechefin Ursula Engelin-Käfer gebeten, im Verwaltungsrat der Bundesanstalt für Arbeit gegen das Vorgehen der Hamburger Arbeitsverwaltung zu intervenieren. Das Arbeitsamt gibt unterdessen keine Auskunft zu dem Komplex: „Die Ermittlungen stehen kurz vor dem Abschluss“, so ein Sprecher.

Den Arbeitslosenverein gibt es seit 1984, er wird von 22 Personen aus Gewerkschaft und Kirchen getragen. Zurzeit sind in Hamburg 22 ABM-Kräfte zur sozialen Beratung eingesetzt. Sie führten im vorigen Jahr 7.800 Einzelberatungen durch. Der Arbeitslosentreff im Gewerkschaftshaus wurde von über 26.000 Erwerbslosen in Anspruch genommen. Über 5000 nutzten zudem das Donnerstagsangebot eines kostenlosen Frühstücks. „Wir renovieren keine Häuser, wir restaurieren Menschen“, erklärt Pumm das Ziel: „Durch Erwerbslosigkeit zerstörte Menschen wieder auf den Weg in den ersten Arbeitsmarkt vorzubereiten.“