„Diese Offenheit gab es später nicht mehr“:
Michail Nelken (48), gebürtiger Ostberliner und Diplom-Philosoph. Seit 1976 war er Mitglied der SED und gehörte dort in der Wendezeit zum Flügel der Erneuerer. Seit 1990 ist er in der PDS, für die er seit 1995 im Abgeordnetenhaus sitzt.
„Schon im Dezember 89, spätestens mit der Volkskammerwahl war klar, dass das in eine ganz falsche Richtung läuft. Das hatte auch etwas Entlastendes, man musste nicht mehr versuchen, den Sozialismus zu retten oder die DDR zu demokratisieren. Im Sommer 90 befand sich die DDR in der völligen Auflösung und ganz Deutschland in Einheitstrance. Linke in Ost und West suchten nach neuer Orientierung und einem neuen Projekt. In dieser eigentümlichen Situation trafen wir uns in der Husemannstraße und arbeiteten an einer bundesweiten Oppositionskonferenz. Ich glaube, dass ich von Leuten vom Neuen Forum in die Husemannstraße eingeladen wurde, die ihnen bekannte Leute aus der PDS dabei haben wollten. Diese Offenheit gab es später nicht mehr, da wurden PDSler wie Aussätzige behandelt. Zasilo entstand im September auf Berliner Ebene und war auf eine neue Organisation der Linken gerichtet. Das Neue Forum war nicht mehr dabei. Die Abspaltungen von AL und Grünen wollten am liebsten eine neue Organsiation mit einem Teil der PDS, aber die gab es ja nicht. Zugleich stellte sich schnell die Frage nach dem politischen Agieren zu den Abgeordnetenhauswahlen im Dezember. Damit wurden die Debatten konfliktreicher. Die Westler waren viel klarer auf Erfolg und Machtpolitik orientiert als auf Meinungsbildung. Außerdem haben sie Konflikte direkt auf die Person formuliert, das machte man im Osten einfach nicht.
Ich habe damals schon nicht geglaubt, dass man eine linkssozialistische Partei neu gründen und oder die PDS in eine solche umwandeln kann, da fehlten dem großen Teil der PDS-Mitglieder einfach die kulturellen Voraussetzungen. Als wir aber den Tanker nicht mehr ummodeln, sondern mit ihm linke Politik machen wollten, dann funktionierte das ganz gut. “
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen