Mit den Armen Beine machen

So wird die Saison, die wird (Teil 1: Hertha BSC Berlin): Nach dem glücklichen Sieg im Elfmeterschießen gegen Bayer Leverkusen und dem Einzug ins Ligapokalfinale verspricht Trainer Jürgen Röber einen Platz unter den ersten vier

DESSAU taz ■ Vorsicht! Abducken. Ein rechter Schwinger in Richtung Stirn. Achtung! Der Kreisel gegen das Kinn. Wenn Jürgen Röber erklärt, muss der Fragesteller auf der Hut sein. Röbers Körper ist gespannt. Seine Augen lachen. Die Augenbrauen hüpfen auf der Stirn auf und ab. Er hat Spaß daran, über die Dinge bei Hertha BSC zu sprechen. So viel, dass die Arme rudern, gegen einen virtuellen Sandsack Treffer setzen, dann einen stakkatoartigen Rückhand-Veitstanz tanzen und den Reporter ein Stück weit zurückweichen lassen.

Da hat jemand Energie getankt für eine Aufgabe, die zu den schwersten im Lande gehört: Als Trainer überleben in der Fußball-Bundesliga. Nicht irgendwie. Hertha BSC und Jürgen Röber möchten in der Saison 2000/2001 ins „internationale Geschäft“. Der „3. oder 4. Platz, das muss man in Berlin erwarten“. Also dorthin, wo viele hinwollen und wunschvoll drückende Enge herrscht. Und mit einer weiteren Last belädt sich der Trainer der Berliner. Er verspricht „guten Fußball“. Jedenfalls besseren als in der Vorsaison, als Hertha sich zwar kontinuierlich nach oben spielte, aber nur „effektiv“ kickte, wie Röber zugibt.

Bei der geplanten Schönerspielerei dient Leverkusen als Blaupause. „Die haben es vorgemacht“, sagt Röber und beschwört die Formel: Mehr kreative Leute auf dem Platz heißt mehr Ballbesitz heißt Kräftesparen heißt potenzielle Gefahr von „genialen Pässen“ auf die Stürmer. Ballbesitz allein ist kein Erfolgsrezept, denn die deutsche Nationalelf hatte bei der EM das Spielzeug sehr viel am Fuß. Röber setzt auf Pässe. Quer und steil. Sebastian Deisler soll bananenflanken, Dariusz Wosz sich weniger im Dribbelgeflecht verfangen, Pal Dardai solide den Ball treten und Stefan Beinlich schließlich den Mittelfeld-Genius mimen. Die Strategie ist offensiv ausgelegt. Manager Dieter Hoeneß hofft auf „mehr Durchschlagskraft nach vorne“ und sagt: „Wir müssen höheres Risiko nehmen.“ Röber scheut sich nicht, Mittelfeldspieler René Tretschok als Libero einzusetzen, und warnt trotz des neuen Systems: „Wir müssen auch gut in der Rückwärtsbewegung arbeiten, das ist klar, gerade da sind die Offensivspieler gefragt.“

In der Vorbereitung ging kein Spiel verloren, am Samstag sind die Herthaner in Dessau nun auch erstmals ins Finale des DFB-Ligapokals eingezogen. 1:1 stand es gegen Bayer Leverkusen nach 90 Minuten. Hie hatte Ulf Kirsten eingeköpfelt (44. Minute), da Michael Preetz eingeschoben (88.). Das Elfmeterschießen gewann Hertha mit 5:4.

René Tretschok fühlte sich in Dessau ziemlich wohl. Seine Schwiegereltern wohnen hier, und weil er entweder auf dem Rasen umherrannte oder im Akkord Autogramme schrieb, bekam er nicht mit, dass sich viele Kurzgeschorene unter die 16.000 Fans im Paul-Greifzu-Stadion gemischt hatten, die lauthals über die Gründung einer Gruppe mit dem Namen „Kuh-Klau-Clan“ berieten und sich bei der Nationalität von Piotr Reiss auf „Polacke“ einigten.

Tretschok jedenfalls sprach von einer „hervorragenden Vorbereitung“, was Sebastian Deisler noch um ein „Super“ bereicherte. Röber freut sich, dass diesmal kaum Verletzte zu verarzten sind. Rehmer und Sverisson können am Dienstag im Ligapokalfinale wieder mitspielen. Da soll schon mal ein Fehler der Vorsaison ausgemerzt werden: „Wir haben vorne zu wenig Tore geschossen und hinten zu viele reinbekommen“, analysiert Röber raffiniert.

Die Nähe zu Offiziellen von Leverkusen wollte Röber in Dessau meiden. Es sollte nicht der Verdacht entstehen, am Gerücht sei Wahres dran, er übernähme den Posten Daums, wenn dieser ab 2001 das Nationalteam coacht. Hertha nährt jedoch die Spekulationen, indem sie stur auf eine Presseerklärung verweist, in der steht, „dass das Thema Vertragsverlängerung bis spätestens zur Winterpause entschieden wird“. Bayer-Manager Reiner Calmund erklärte, man habe noch mit keinem Kandidaten gesprochen, gibt aber zu: „Jürgen Röber ist für jeden ein interessanter Mann.“

Röber, von einem renitenten Lokalreporter nochmals zur Causa befragt, fuchtelt schon wieder gefährlich mit dem Arm. Ein rechter Aufwärtshaken, der den Journalisten schnell das Weite suchen lässt. Dabei hat es Röber gar nicht böse gemeint. Er spricht einfach gern mit den Armen. MARKUS VÖLKER