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Bremen-Äthiopien

■ Was wären internationale Helfer beim Auslandseinsatz ohne die Logistik? Ein Bremer berichtet von der Arbeit im Hintergrund

Der Weg vom arbeitslosen Dip-lom-Politologen zum Logistiker angesehener Hilfsorganisationen ist kurz. Wie kurz – das ahnte der Bremer Martin Töben nicht, als er zum Telefon griff. Wenig später saß der 32-Jährige schon in Bonn, beim Interview für „Ärzte ohne Grenzen“. Drei Monate später flog er für die internationale Hilfsorganisation nach Kongo.

Weitab vom Schuss, genauer: 400 Kilometer von der späteren Frontlinie entfernt, organisierte er dort die Logistik für ein medizinisches, halbstaatliches Langzeitprogramm. Doch nur acht Wochen später war er wieder in Bremen. Seine Aufgabe, das Beschaffen und Transportieren von Hilfsgütern für Gesundheitsstationen, war im Bürgerkriegsland zur Farce geworden. „Alles war blockiert und die Zölle waren enorm gestiegen“, berichtet er. Doch als die „Ärzte ohne Grenzen“ ihn im Frühjahr erneut anfragten, entschied er sich wieder für den Auslandseinsatz.

Diesmal war es eine Nothilfemaßnahme in einem Hungergebiet. Drei Jahre hatte es im östlichen Äthiopien kaum geregnet. Vor allem der Kinder nahm sich die 13-köpfige Crew von „Ärzte ohne Grenzen“ an. Wieder war Martin Töben ein Mann hinter den Kulissen. Er half, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass der Einsatz klappte. „Als ich meinen Vorgänger abgelöst habe, war das Lager schon angelegt, auch der Zaun drumrum stand fast“, sagt Töben. Dann grinst er. „So ein Zaun entspricht nicht unbedingt deutschen Vorstellungen.“ Statt Maschendraht war das Lager – vor allem aber die medizinischen und die Nahrungsmittelvorräte – von stacheligem Buschwerk umgeben. Angepasste Technologie quasi, die den Logistiker herausfordert. „So was systematisch zu befestigen, ist eine Aufgabe für sich“, sagt Töben. Werkzeug, Baumaterial und Arbeitskräfte müssen besorgt werden. „Wer da keinen langen Atem und Improvisationstalent mitbringt, hat es schwer“, sagt Töben. Er glaubt, dass vor allem diese Eigenschaften ihm den Job brachten. Denn eine handwerkliche Ausbildung hat er nicht, dafür aber lange Tüftler-Erfahrung im Elektro- und KFZ-Bereich. Außerdem bot er Auslandserfahrung und Sprachkenntnisse – im Tausch für 1.200 Mark Lohn und Arbeitszeiten jenseits aller Tarifregelungen.

„Was hätte ich anderes tun als arbeiten sollen?“, blickt Töben auf seine Zeit in Äthiopien zurück, die letzten Monat zu Ende ging. Über 3.500 Kinder von Nomaden und Kleinbauern versorgten die „Ärzte ohne Grenzen“ im östlichsten äthiopischen Bundesland Somali täglich mit Essen. „Allein 500 Kinder bekamen von uns täglich angereicherte Nahrungsmittel“, sagt Töben. Kaum war ein Magerchen so weit aufgepäppelt, um wieder auf eigenen Füßen stehen zu können, nahm das nächste seinen Platz ein. Das war auch für Töben ein High-light. Allerdings hatte der Logistiker mehr mit den hoffnungslosen Fällen zu tun. „Ich musste Leichentücher ausgeben“, sagt er. Weißes Tuch von der Rolle. Jeden Tag mindestens fünf Portionen. Manche ganz klein. „Das ist nicht schön.“ ede

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