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Kriminelle Adoption

Unicef: Die Vermittlung von Babys und Kindern droht zu einem immer einträglicheren Geschäft zu werden

BERLIN epd ■ Vor Auswüchsen und kriminellen Praktiken bei der Vermittlung von Adoptivkindern in reiche Industrieländer hat das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (Unicef) gewarnt.

Die wachsende Nachfrage kinderloser Paare aus den reichen Industriestaaten nach Babys sowie unzureichende Gesetze, fehlende staatliche Kontrollen und die zunehmende Vermittlung über das Internet hätten in einigen Staaten Osteuropas ein „regelrechtes Adoptions-Business“ entstehen lassen, betonte Unicef-Sprecher Rudi Tarneden gestern in Berlin. Das Kinderhilfswerk fordere die Bundesregierung daher auf, die Haager Konvention zur Auslandsadoption zu ratifizieren und die darin vorgesehenen zentralen Adoptionsvermittlungsstellen einzurichten, um kriminelle Praktiken auszuschließen.

Vor allem Rechtsanwälte und Agenturen verdienten zwischen 30.000 und 40.000 Mark an einer Vermittlung. Elternpaare, die sich für ein Adoptivkind interessieren, warnte Unicef davor, sich auf nicht autorisierte, private Vermittlungsagenturen einzulassen, die ihnen den schnellen und einfachen Weg zu einem Kind versprächen.

Nach offiziellen Angaben sei die Zahl der registrierten Auslandsadoptionen in sieben Industrieländer von 1993 bis 1997 von 16.000 auf 23.000 gestiegen sei. An der Spitze der Länder, aus denen die Neugeborenen und Kleinkinder stammten, lägen Russland, China und Nordkorea. Besonders dramatisch sei die Situation in Guatemala, sagte Christian Salazar-Volkmann, der Unicef-Projekte in dem mittelamerikanischen Land betreut. Hier seien in den zurückliegenden fünf Jahren über 7.000 Kinder über private Agenturen ins Ausland vermittelt worden. Die meisten seien bereits zum Zeitpunkt der Adoption nicht mehr bei ihren leiblichen Eltern gewesen, sondern in Haushalten, die für einschlägig tätige Rechtsanwälte arbeiteten. Häufig würden Schwangere massiv überredet und mit Beträgen bis 600 US-Dollar „geködert“ oder in Krankenhäusern nach der Geburt dazu gebracht, das Neugeborene abzugeben.

Eine „wachsende Korruption“ und „erhebliche Willkür“ werde aber auch bei der Anwendung von Adoptionsvorschriften in Russland und anderen Ländern Osteuropas bei der Vermittlung kleiner Kinder registriert. Der internationale Markt privater Vermittler sei öffentlicher Kontrolle bisher weitgehend entzogen. Andererseits verdrängten Eltern häufig die Frage, mit welchen Methoden Adoptionen zustande gekommen seien.

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