Fickschema A-B, B-C, C-D

Im Tacheles kommt „des reizenden Herrn Arthur Schnitzlers ‚Reigen‘ “ in Werner Schwabs Version zur Aufführung

Es war einmal in den 20er-Jahren, da endete der Skandal um den „Reigen“ des Doktor Schnitzler mit dessen Verfügung, künftig sollten gefälligst alle die Finger von ihm lassen. Der jung verstorbene Werner Schwab allerdings, skandalerzeugungstechnisch in unwirtlicheren Zeiten zu Hause, transponierte siebzig Jahre später „des reizenden Herrn Arthur Schnitzlers“ unerhörtes Werk in eine schrillere, eisige Tonart unter Beibehaltung des regelhaften Fickschemas A-B, B-C, C-D.

Mann trifft Frau auch hier, das Terrain fürs Tauschgeschäft wird listig abgesteckt, der Akt vollzogen und in den anschließenden Momenten müder Erleuchtung analysiert. Der Untergang des Abendlandes? „Für Sex interessiere ich mich sowieso kaum“, behauptete der Grazer: „Ein hoffnungslos überschätztes Thema.“

Zehn Dialoge, zehn Dildos. Im Theatersaal des Tacheles schlängelt sich die Regie des gebürtigen Münchners Christian Wittmann mit kühler Raffinesse zwischen den schnitzlerschen Auslassungszeichen und der schwabschen Verhöhnung hindurch. Wer den Penis hat, hat auch hier ganz traditionell die Macht. Doch inzwischen ist the Schwanz immerhin frei bewegliches Objekt. Wenn es denn „dazu“ kommt, und es kommt natürlich in schöner Regelmäßigkeit, hantieren all die Frisösen, Vermieter, Hausfrauen, Parlamentiarier, Unternehmer, Sekretärinnen und Künstler mit kurzatmiger Beiläufigkeit, als handle sich’s um Hanteln oder Hühnerbeine. Nebenher müssen schließlich noch Geschlechter-, Mietpreis- und Lohnunterschiede verhandelt, die Lage der Nation im Allgemeinen und der alpinen Politik im Besonderen erörtert sowie der Tod in Betracht gezogen werden.

Durch diesen hoffnungslosen Kreislauf der Geschäfte bewegen sich Bettina Buchholz und Juliane Werner, Henry Meyer und Roman Leitner mit präziser Künstlichkeit und erobern ihren Figuren bei aller gestischen Ökonomie ein Eigenleben. Und natürlich wären die eurythmischen Rituale mit den Gummiquietscheschwänzen nur halb so lustig, blieben sie nicht gebettet in die beißende Häme der Schwab-Sprache, die auf den kargen Bühnenplateaus den glänzendsten Auftritt hat. Sie wühlt sich mit abgespreiztem Finger durch die gesellschaftliche Kloake und lässt nur schillernde Gemeinheit übrig. EVA BEHRENDT

Tacheles, Oranienburger Str. 54 – 56 a, 3. – 6., 10. – 13. 8., 21 Uhr