: Griff nach den weißen Farmen
von KORDULA DOERFLER
Ein schöneres Geschenk hätte sich Robert Mugabe nicht wünschen können. Die umstrittene und gewaltsame Landbesetzungspolitik in Simbabwe sei ein Versuch, „eine gerechte Landumverteilung herbeizuführen in einer Situation, wo ein Prozent der Bevölkerung über 70 Prozent des besten fruchtbaren Landes besitzt“, erklärten die Staatschefs des Südlichen Afrika am Montagabend zum Abschluss des Staatengipfels der Regionalorganisation SADC (Entwicklungsgemeinschaft des Südlichen Afrika) in Namibias Hauptstadt Windhuk. „Wir sind enttäuscht von der parteilichen Weise, in der ein Teil der internationalen Medien die Landpolitik der Regierung Simbabwes verzerrt dargestellt hat“, so die Staatschefs. „Wir bekräftigen unsere Akzeptanz der dringenden Notwendigkeit, in Simbabwe eine Landumverteilung vorzunehmen, um Landhunger und Armut Millionen schwarzer Simbabwer zu lindern.“
Noch nie hat Simbabwes Präsident, der seit Februar die oft gewaltsame Besetzung von mehr als 1.500 weißen Großfarmen durch Anhänger seiner Partei ermutigt hat und nun die entschädigungslose Enteignung mehrerer hundert Farmen plant, so offene und klare Unterstützung seiner Kollegen bekommen. Nun geht im gesamten Südlichen Afrika das Gespenst weiterer Landbesetzungen um. Denn die Landfrage ist hier das schwerste Erbe der Kolonialzeit und ist nirgendwo zufrieden stellend gelöst. Nicht nur in Simbabwe, sondern vor allem in Namibia und Südafrika drängt die schwarze Bevölkerungsmehrheit, das Land ihrer Ahnen zurückzuerhalten.
Mit heißer Nadel
In Namibia hat die seit der Unabhängigkeit 1990 regierende ehemalige Befreiungsbewegung Swapo die Landfrage nur zögerlich in Angriff genommen. Der riesige Wüstenstaat mit nur knapp 1,5 Millionen Einwohnern ist in weiten Teilen unfruchtbar. Vom fruchtbaren Teil sind 40 Prozent im Besitz von 4.500 weißen Großfarmern, während eine Million schwarze Kleinbauern mit ihren Familien auf weiteren 40 Prozent in so genannten communal areas zusammengepfercht sind. Die Regierung von Präsident Sam Nujoma nervös geworden – spätestens seitdem Mugabe in seinem Wahlkampf nach Namibia reiste und auch die Namibier aufrief, sich „ihr“ Land zurückzuholen. „Wenn andere Länder ähnliche Probleme haben, warum sollten sie sie nicht auf ähnliche Weise lösen wie Simbabwe“, so Mugabe. „Es ist eine einfache Lösung.“ Schwarze Kleinbauern veranstalteten Protestmärsche gegen die Sapo-Politik.
Jetzt strickt Namibias Regierung mit heißer Nadel an einer überfälligen Reform der Landgesetzgebung. Unter dem Druck der Ereignisse in Simbabwe will sie weiße Farmer unter bestimmten Bedingungen enteignen, um das Land umzuverteilen – allerdings mit Entschädigungen, anders als in Simbabwe.
Mbeki ohne Erfolg
Noch krasser ist die Landverteilung in Südafrika. Etwa 60.000 weiße Großfarmer bewirtschaften etwa 90 Millionen Hektar Land – 12 Millionen Schwarze dagegen lediglich 17 Millionen Hektar. In Südafrika haben die neuen schwarzen Regierungen nicht nur mit dem kolonialen Erbe zu kämpfen, sondern auch mit den besonders inhumanen Auswüchsen der Apartheid. Millionen von Schwarzen ließ das weiße Minderheitsregime in unfruchtbare „Homelands“ umsiedeln. Während in der Apartheid-Zeit 35 Millionen Schwarze auf nur 13 Prozent der Fläche Südafrikas zusammengepfercht wurden, lebten die restlichen 5 Millionen Nicht-Schwarzen auf 87 Prozent. Daran hat sich heute, sechs Jahre nach dem Ende der weißen Herrschaft, wenig geändert.
Kein Wunder also, dass Südafrika besonders beunruhigt nach Norden zum unruhigen Nachbarn Simbabwe schaut. Präsident Thabo Mbekis „stille Diplomatie“, mit der er bisher den Landkonflikt in Simbabwe zu lösen hoffte, ist vollkommen gescheitert. Mehrere Versprechen Mugabes an Mbeki, die gewaltsamen Landbesetzungen zu beenden und eine Landreform nur innerhalb von Recht und Gesetz stattfinden zu lassen, blieben bisher folgenlos. Der südafrikanische Präsident, der durchaus Sympathie für die Landlosen in Simbabwe zeigt, musste zugleich die Bauernschaft im eigenen Land beruhigen. „Ich verspreche, dass so etwas in Südafrika nicht passieren wird“, versicherte Mbeki. Dennoch befürchtet jeder zweite Südafrikaner, egal welcher Hautfarbe, nach einer neuen Meinungsumfrage Besetzungen im eigenen Land.
Hauptziel der laufenden umfangreichen südafrikanischen Landreform ist nicht, in großem Stil weiße Farmer zu enteignen, sondern behutsam historisches Unrecht wieder gutzumachen und landlosen Schwarzen Zugang zu reichlich vorhandenem staatlichem Ackerland zu verschaffen. Schon seit 1913 durften schwarze Südafrikaner kein eigenes Land mehr besitzen. Anders als seine Nachbarn ist Südafrika heute so stark verstädtert, dass viele Anträge auf Rückgabe von Land städtische Gebiete betreffen.
Zu wenig, zu langsam
Die Regierung verfährt weitgehend nach dem Prinzip Entschädigung vor Rückgabe. Außerdem werden die Großgrundbesitzer nicht mehr so gehätschelt wie zu Apartheid-Zeiten: Sie müssen heute bei den regelmäßig wiederkehrenden Dürren nachweisen, dass sie im Rahmen des Möglichen Vorsorge getroffen haben. Das wertvolle Gut Wasser, früher ihr Privateigentum, soll künftig dem Staat gehören und Geld kosten. Außerdem haben die oft in feudaler Abhängigkeit gehaltenen Landarbeiter endlich Rechte erhalten.
Kritiker werfen aber dem ANC vor, dass die Lebensverhältnisse der südafrikanischen Landbevölkerung noch immer erbärmlich sind und der Prozess viel zu langsam vorankommt. Von 63.000 Anträgen auf Rückerteilung von Land sind seit 1994 bloß 6.500 endgültig entschieden worden. Mit dem Wechsel von Mandela zu Mbeki vergangenes Jahr hat sich das Tempo nicht gesteigert, und es fehlt der südafrikanischen Regierung an Geld, um Entschädigungen zu zahlen. Mbeki berief Mandelas allgemein als höchst kompetent angesehenen Landminister Derek Hanekom, einen Weißen, nicht in sein Kabinett. Nachfolgerin Thoko Didiza zeichnet sich bislang vor allem dadurch aus, neue komplizierte Strategiepapiere zu erarbeiten, während die Umverteilung kaum vorankommt.
Unter Südafrikas weißen Farmern geht trotzdem die Angst um, und zwar nicht erst, seit ihre nördlichen Stammesbrüder im Belagerungszustand leben. Seit 1994 sind in Südafrika 800 Farmer ermordet worden. In Simbabwe waren es in der Gewalt der Vorwahlzeit fünf.
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