Wer durchfällt, beißt ins Gras

Letzte Chance für Kampfhunde: Tierheim Süderstraße stellt Wesenstest vor  ■ Von Elke Spanner

Ronia ist drei Jahre alt und hat ein freundliches Wesen. Das ist amtlich geprüft. Joggern blickt sie eher gelassen hinterher, Buggys beschnuppert sie allenfalls kinderlieb, und selbst wenn sie in einen engen Fahrstuhl gesperrt wird, regt das die Pitbull-Hündin nicht sonderlich auf. Der Kampfhund hat somit Chancen zu überleben – wenigstens im Tierheim in der Süderstraße. Gestern stellte das Tierheim den Psychotest vor, den die Kieler Verhaltensforscherin Dorit Feddersen-Petersen für die Tiere entwickelt hat.

Der gilt in erster Linie für Tiere im Heim. Die Hunde, die durchfallen, dürfen eingeschläfert werden. Pitbullterrier, American Staffordshire-Terrier und Staffordshire-Bullterrier, die ein privates Zuhause haben, gelten nach der neuen Hundeverordnung per se als gefährlich und können auch nicht per Wesenstest das Gegenteil beweisen. Nur in Ausnahmefällen wird ihrem Besitzer eine Erlaubnis zum Halten erteilt – wenn er sie bis November beantragt hat, selbst als zuverlässig gilt und auf ebendiesen Hund persönlich angewiesen ist. Anders ist es für neun weitere Kampfhunde-Rassen: Deren HalterInnen können ihre Tiere zum Wesenstest schicken, um zu beweisen, dass sie nicht „gefährlich“ sind – und deshalb auch keine gesonderte Erlaubnis brauchen.

Den Wesenstest müssen die Hunde drei Mal innerhalb weniger Tage bestehen, „damit nicht die Tagesform den Ausschlag gibt“, erklärt Uta Ehlich, Tierpflegerin in der Süderstraße. Die PflegerInnen überprüfen die Reaktion der Hunde zum einen in alltäglichen Situationen, wie sie beim Spaziergang auftreten können: Ein Luftballon zerplatzt, ein Kind schreit. Darüber hinaus werden die Tiere „szenetypisch“ provoziert. Wurde ein Hund mit einem Feuerzeug scharf gemacht, wird er auch beim Test zubeißen, wenn er das Klicken eines Feuerzeuges hört. Und Hunde, die von alkoholisierten BesitzerInnen geschlagen wurden, fletschen aggressiv die Zähne, wenn ihnen der Geruch von Alkohol in die Nase kommt.

Ein Tierpfleger nähert sich Ronia mit schwarzem Mantel und Hut. Direkt neben ihr spannt er den Regenschirm auf. „Der Hund darf Angst zeigen, aber nicht angreifen“, ruft Ehlich noch, da springt Ronia auch schon verschreckt zur Seite. Nun der Jogger-Test. Nur wenige Schritte von der Hündin entfernt plumpst der Pfleger zu Boden. Ronia will hin und zerrt an der Leine. Erlaubte tierische Neugier, klärt Ehlich auf und gestattet dem Tier, an dem Mann zu schnuppern. „Sie darf sich die Situation anschauen, aber nicht angreifen.“ In Hamburg haben bisher vier TierärztInnen zugesagt, den Test durchzuführen. Weitere fünfzehn haben Bereitschaft signalisiert. Rund 2000 Hunde in Hamburg gelten als „gefährlich“.

Nun kommt Rollo an die Reihe, zwei Jahre alt und offensichtlich ein aufgewecktes Tier. Der Pitbull-Rüde ist so auf die Katze konzentriert, die er im benachbarten Zwinger erspäht hat, dass er kaum den schwarz bemantelten Pfleger beachtet, der an ihm vorüber läuft. Doch da kommt der Jogger, und Laufen ist offenbar ein Spiel, das Rollo gut gefällt. Er läuft hinterher, springt an dem Mann hoch und versucht, ihn mit den Vorderpfoten „zu fangen“, lacht Uta Ehlich. Der Mann fällt hin, Rollo stellt sich breitbeinig über ihn und beschnuppert ihn am Kopf. Auch das, klärt die Tierpflegerin auf, „ist Spielverhalten“.