: Adtranz vor Teilung
Nach der Übernahme durch Bombardier fürchtet der Gesamtbetriebsrat um weitere Arbeitsplätze
BERLIN taz ■ Die Adtranz-Beschäftigten fürchten um ihre Arbeitsplätze. Ihrer Einschätzung nach steht der deutsche Bahnbauer vor der Zerschlagung. Geschürt wurden die Ängste durch die Übernahme der 100-prozentigen DaimlerChrysler-Tocher durch die kanadische Bombardier Ende der vergangenen Woche. Jetzt müssen nur noch die Kartellbehörden ihren Segen geben. Bei einem Treffen der Wirtschaftsausschüsse treffen heute erstmals auch Vertreter der Belegschaft mit den neuen Inhabern zusammen. Spätestens zum Jahreswechsel soll das Geschäft über die Bühne gebracht sein.
Sicher scheint, dass Bombardier die Sparten Signaltechnik und Bahnfahrweg-Systeme verkaufen wird – womöglich an den französischen Konkurrenten Alstom. Beide Geschäftsbereiche werden schon von deutschen Bombardier-Töchtern in Deutschland vertreten. DaimlerChrysler soll vorab schon Sondierungsgespräche mit den Franzosen geführt haben. Zum anderen kann Bombardier durch einen Weiterverkauf den hohen Preis für das angeschlagene Unternehmen senken.
Für DaimlerChrysler war Adtranz in den letzten Jahren ein immer schwererer Klotz am Bein. Bei einem Jahresumsatz von 3,6 Milliarden Euro hat die Tochter im vergangenen Jahr Verluste von über 400 Millionen Euro eingefahren.
Und sie befindet sich noch mitten in einem groß angelegten Umstrukturierungsprozess. Seit Jahresfrist sind 2.000 Stellen abgebaut worden, 1.000 sollen noch folgen. Derzeit arbeiten noch 22.000 Menschen für Adtranz. Das Unternehmen schreibt nach Konzernangaben in diesem Sommer erstmals seit langem wieder schwarze Zahlen.
Betroffen von Teilverkäufen wären rund 3.600 Beschäftigte. Vor allem die Standorte Siegen in Nordrhein-Westfalen und das nördlich von Berlin gelegene Werk Hennigsdorf müssen mit größeren Veränderungen rechnen. Hier gibt es die meisten Überschneidungen mit der Unternehmensstruktur von Bombardier.
Der Adtranz-Gesamtbetriebsrat befürchtet die meisten Personaleinsparungen in der Unternehmensverwaltung und dem Vertrieb. „Da wird stark eingedampft“, sagt Sprecher Claus-Peter Orzechowski. Bis jetzt könne er über die Pläne von Bombardier nur spekulieren. Die deutsche Zentrale in Berlin hält sich mit öffentlichen Äußerungen weitgehend zurück. Erst sollen die kartellrechtlichen Verfahren abgeschlossen sein.
An den heutigen ersten direkten Kontakt mit Bombardier knüpft Orzechowski jedenfalls noch keine große Erwartungen: „Wir werden uns erst mal beschnuppern.“
Mit dem Kauf von Adtranz setzt Bombardier den internationalen Trend zur Konsolidierung der Bahnindustrie fort. Mit Bombardier, die sich mit dem Deal und jetzt sechs Milliarden Euro Umsatz an die Weltspitze gesetzt hat, teilen sich Alstom und Siemens den Weltmarkt. Bombardier hat dabei die strategisch günstigere Position. Sie haben sich nicht zuletzt mit Adtranz auf Lokomotiven- und Waggonbau spezialisiert, während sich Siemens und Alstom als Systemanbieter präsentieren. Bombardier ist in diesem Dreieck mehr Partner denn Konkurrent.
THORSTEN DENKLER
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen