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ddr-architektur

Hermann Henselmann – Brigitte Reimann

Noch während der Arbeiten zum Haus des Lehrers schrieb Hermann Henselmann einen Brief an die Schriftstellerin Brigitte Reimann. Reimann, bekannt geworden durch den Roman „Franziska Linkerhand“, der von einer Architektin handelt, hatte zuvor die lieblose Architektur in ihrem Wohnort Hoyerswerda kritisiert und mit der Frage „Kann man in Hoyerswerda küssen?“ den ersten öffentlichen Architekturstreit der DDR ausgelöst. Ihre Frage, schrieb Henselmann, „ist ein sehr wichtiger und kritischer Hinweis. Denn natürlich kann Großräumigkeit nur entstehen, wenn sich ihr die Intimität hinzugesellt.“

Aus diesem Brief entwickelte sich bis zum Tode Reimanns 1973 eine jahrelange Freundschaft und persönliche Auseinandersetzung um den Städtebau der DDR. Im Dezember 1964 schrieb Brigitte Reimann: „Wie, und ich hätte Ihnen nichts gesagt von der köstlichen Anmut Ihres Saals im Lehrer-Haus? Nichts über das zärtliche Glasspiel unter der Kuppel, über die schwebende Leichtigkeit der Treppen, die Farben, über die Weltraumsessel und (ich wette, sie waren Ihr Einfall) die verrückten Krokodilleder-Sessel im Imbissraum?“ Henselmann antwortete: „Deine freundlichen Worte über das Haus des Lehrers haben mich sehr gefreut. Trotz allem hoffe ich, dass das Gebäude als ein Aufruf zum goldenen Wagnis des Lebens und zur Heiterkeit angesichts aller Bedrohungen aufgefasst wird.“

Wie sehr der Mauerbau in dieser Debatte eine Rolle gespielt hatte, zeigte sich daran, dass Henselmann seinen ersten Brief auf Reimanns Roman „Die Geschwister“ schrieb, der ähnlich wie Christa Wolfs „Geteilter Himmel“ von familiärer Trennung infolge des Mauerbaus handelte. UWE RADA

Die Zitate sind dem Buch „Brigitte Reimann / Hermann Henselmann – Briefwechsel“ entnommen, das 1994 im Verlag Neues Leben erschien

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