: Der sanfte Eingreifer
Zivilcourage gegen rechts (8): Ein Altenpflege-Azubi und Campinplatzwart geht dazwischen
Frank Bönsch ist ein ruhiger Mensch. Und ein umsichtiger. Der 33-Jährige ist nicht nur Aushilfsplatzwart auf dem Campingplatz am Großen Klobichsee, mitten in der Märkischen Schweiz gelegen – er ist auch Seelsorger. Einem, der nachmittags ein Bier ersteht, rät der angehende Altenpfleger mit warmen Worten, sich mehr um seine Freundin zu kümmern.
Bönsch kümmert sich um die Gäste. Koste es, was es wolle. Vor ein paar Wochen gab es Ärger, da war er sofort zur Stelle. Rund zwanzig rechte Jugendliche aus der Umgebung hatten sich breit gemacht und die Musik voll aufgedreht. „Ich hab’ gesagt, sie sollen den Krach ausmachen.“ Bönsch hätte das mit „anderen Störenfrieden“ auch gemacht. Als er merkte, dass es Rechte waren, war er besonders besorgt – wegen „ der Ausländer auf’m Platz“. Die betrunkenen Jugendlichen attackierten ihn, schubsten den stämmigen Mann in die Büsche. „Die wollten Stunk.“
Der Ostberliner, der im Sommer 1989 über Ungarn in den Westen ging, ließ sich nicht provozieren. Er zog sich zurück und alarmierte mit dem Handy die Polizei. „Die waren schnell da – und wie im Kino!“ Bönschs Augen glänzen: Statt einem rasten gleich mehrere Streifenwagen aufs Gelände, die Beamten der Sondereinheit schwärmten aus und kreisten die Rechten ein.
Bönsch ist froh, dass die Polizei schnell da war. „Von den Campern hätte mir keiner geholfen.“ Der Mann aus Hellersdorf kennt das. Vor zwei Jahren war er in dem Ostberliner Plattenbezirk in eine Schlägerei geraten. Zwei Jugendliche schlugen einen dritten zusammen. „Da bin ich dazwischen.“ Am Ende hat er selbst was abgekriegt, weil keiner der Umstehenden eingriff. Für Bönsch wäre das selbstverständlich – nicht nur bei Übergriffen von Rechtsextremisten.
Von denen hält Bönsch nichts. Zwar sei ihm „in der Schule rote Geschichte eingebläut worden“ – aber dass die Nazis großes Unrecht begannen hätten, müsse jeder einsehen. Ein Linker ist er nicht – Bönsch möchte „nicht mehr für die Geschichte büßen“ und hält das „Judending“, wie er das Holocoust-Mahnmal in Berlin nennt, für „übertrieben groß“.
Trotzdem sind zwei Dinge für den ruhigen Mann sicher: Wenn er die Altenpflege-Ausbildung fertig hat, wird er studieren und Heimleiter werden. Und er würde wieder eingreifen, wenn Rechte kämen – auch wenn ihm im Moment „manchmal mulmig“ ist. Immerhin sei er jetzt in der Gegend bekannt – obwohl er zuerst gar nicht in Presse wollte. Aber er hat es sich anders überlegt: „Man muss den Leuten zeigen, dass man was gegen die Rechten machen kann.“
RICHARD ROTHER
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen