: Brief und Schnaps vom Postboten
Mit einem ehrgeizigen Rationalisierungsprogramm soll Schwedens Post auf den Börsengang vorbereitet werden. Trotz Liberalisierung des Paket- und Briefmarktes gelang es praktisch keinem Konkurrenten, sich zu etablieren
aus Stockholm REINHARD WOLFF
Es herrscht gerade Aktienfieber in Schweden. Jüngst privatisierte der Staat das erste Viertel von Telia, der nördlichen Telekom-Variante, und alle wollten Anteil haben. Nach Ericsson und Volvo war mit den Telia-Papieren eine neue Volksaktie geboren, die erste aus dem staatlichen Säckel.
Als nächste wird nun „Kungliga Posten“ – die königliche Post an die Börse gehen. Mit einem ehrgeizigen Rationalisierungsprogramm wird das Staatsunternehmen derzeit zur Privatisierung zurechtgestylt. Die Börse will Rendite sehen. Doch bis jetzt hat „Posten“ nur einen guten Ruf zu bieten.
Der ist allerdings glänzend. Nach dem Paket- ist auch das Briefmonopol schon vor Jahren verschwunden. Trotzdem hat die erst vor elf Jahren von einer verstaubten Behörde zur Serviceeinrichtung umgewandelte Post ihren Marktanteil aus Monopolzeiten nahezu unangetastet ins neue Zeitalter hinüberretten können.
Tatsächlich gibt es nicht oft Grund, über die Post zu klagen. Über 95 Prozent der Briefe kommen pünktlich über Nacht beim Empfänger an – allerdings schon seit langem samstags gar nicht mehr – was einen Spitzenplatz in der weltweiten Briefzustell-Hitparade bedeutet. Es gibt ein dichtes Netz an Poststellen. Hatte die „Kungliga Posten“ 1876 bereits 1888 „Ämter“, sind es jetzt immer noch fast genauso viele – auch wenn die eigentlichen Postämter immer weniger, die Servicepunkte inTankstellen und Lebensmittelläden immer mehr werden.
Lebt man auf dem Land, kann man sich sogar über einen besseren Service als in der Stadt freuen. Die Autos der Landbriefträger sind fahrende Poststellen und Kneipe zugleich. Man kann nicht nur Briefmarken kaufen, Pakete aufgeben und seine Geldgeschäfte erledigen, sondern auch Hochprozentiges kaufen – in den Weiten Lapplands, wo der nächste Alkoholladen oft eine Tagesreise entfernt liegt, ein sehr geschätzter Service.
Nicht nur dieser eingespielte Service, sondern auch die Geographie des Landes mit seiner dünnen Besiedlung machen es der privaten Konkurrenz schwer. Keiner der europäischen oder US-amerikanischen Paketmultis hat auch nur ernsthaft versucht ein konkurrierendes Verteilernetz aufzubauen. Zwar entstanden im Zuge der Markliberalisierung private Briefdienste zu Hunderten. Diese agieren aber nur in den Städten. Eine Zeitlang konnte man mancherorts zwischen fünf oder sechs verschiedenfarbigen Briefkästen für die Lokalpost entscheiden. Weil der Markt zu klein war, verschwanden diese schnell wieder. Nicht einmal ein um 20 Pfennige billigeres Angebot als die Staatspost verschaffte genügend Marktanteil. Zudem ruinierten einige schwarze Schafe den Ruf der ganzen Privatbriefbranche. Briefe landeten statt beim Empfänger auf dem Müll.
Überlebt hat einzig „Citymail“, ein in Stockholm agierendes Unternehmen, das sich ein kleines Stück des Geschäftsbriefkuchens abschneiden konnte. Durch eine Ausdehnung in die beiden nächstgrößeren Städte Göteborg und Malmö aber wäre Citymail zuletzt fast pleite gegangen. Zuletzt kaufte sich die britischen Post bei Citymail ein.
Ohnehin glauben Experten, dass „Kungliga Posten“ den kleinen Konkurrenten mühelos über eine entsprechende Preispolitik in die Knie zwingen und so ihren Marktanteil von 95 wieder auf 99 Prozent aufstocken könnte. Durfte das Staatsunternehmen allerdings nicht. Der kleine Konkurrent soll beweisen, dass die von der Regierung verordnete Liberalisierung des Postmarktes funktioniert. Eine Zeitlang war ernsthaft diskutiert worden, dass die Post selbst das konkursreife Konkurrenzunternehmen übernehmen und als selbstständige Tochter weiterbetreiben sollte, um so die Liberalisierungsidee zu retten. Der „Citymail“-Zwerg ist außerdem der perfekte Herausforderer auch in anderer Hinsicht: Wenn es darum geht, mit Verweis auf die Konkurrenz unbequeme Umstrukturierungen und Rationalisierungen zu begründen.
Davon gibt es derzeit wegen der ehrgeizigen Rationalisierungspläne viele. Das bisherige Serviceniveau gilt als zu personal- und kostenintensiv. Ein jährlicher Gewinn von gerade 7 Millionen Mark – der Gewinn der mehr als zehn Mal größeren deutschen Post bewegt sich vergleichsweise im Milliardenbereich – soll kräftig steigen. Was Entlassungen bedeutet, Verkauf aller Geld- und sonstigen Nebendienste und eine Konzentration auf den als zukunftsträchtig angesehenen Logistikbereich.
Postangestellte wie KundInnen sind mehr als skeptisch, was dann noch von dem gewohnten Postservice übrig bleiben wird. Und von der eigenständigen schwedischen Post. Den Versuch, wenigstens ein skandinavischer Logistikriese zu werden, hatte man im letzten Jahr gleich in der ersten Runde gegen die deutsche Post verloren. Ganz unschwesterlich aggressiv hatten die Deutschen über ihre Danzas-Tochter der „Kungliga Posten“ den größten schwedische Lkw-Transporter ASG wegschnappte. Nicht nur das: Zur Privatisierung zurechtrationalisiert könnte die Post selbst schnell als Schwedenhappen auf dem Teller der expansiven deutschen Post landen.
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