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Eingeschränkte Nachbesserung

Das Kabinett verabschiedete gestern das vom Bundesrat geforderte Ergänzungsgesetz zur Steuerreform: Der Spitzensteuersatz sinkt, Betriebsaufgaben werden begünstigt. Die Änderungen verursachen bis 2006 zusätzliche Kosten von 20 Milliarden Mark

von BEATE WILLMS

Anders als sonst musste Finanzminister Hans Eichel (SPD) ganz ohne seinen Bundeskanzler auskommen, als er gestern die vorerst letzten Änderungen zu seiner Steuerreform vorstellte. Das Kabinett zeigte sich aber auch ohne Schröder entschlussfreudig. Anstandslos winkten die anwesenden Minister Eichels Entwurf zum „Steuersenkungsänderungsgesetz“ durch.

Nach den Plänen des Finanzministers soll der Spitzensatz bei der Einkommenssteuer im Jahr 2005 statt auf 43 nun auf 42 Prozent gesenkt werden. Unternehmer, die ihren Betrieb aus Altersgründen aufgeben oder verkaufen, sollen den Gewinn schon ab 2001 nur noch mit dem halben durchschnittlichen Satz versteuern müssen. Diese Möglichkeit darf jeder nur einmal in Anspruch nehmen.

Die Nachregelung verursacht bis 2006 Steuerausfälle von rund 20 Milliarden Mark, womit die Steuerreform den Staat jährlich rund 60 Milliarden Mark kostet. Nötig geworden war sie, weil Eichel – unterstützt von Schröder – gegenüber den Ländern unmittelbar vor der Schlussabstimmung über die Steuerreform 2000 im Bundesrat noch Zugeständnisse gemacht und damit auch die CDU- und FDP-mitregierten Länder zu einer Zustimmung bewogen hatte. Da diese Änderungen aber in der vom Bundestag verabschiedeten Fassung noch nicht enthalten waren, müssen sie nun noch das komplette Gesetzgebungsverfahren durchlaufen. In Kraft treten soll das Ergänzungsgesetz aber zeitgleich mit der Steuerreform zum 1. Januar 2001.

Ganz so hurtig wie die Ministerrunde wird der parlamentarische Prozess dabei wohl nicht ablaufen. Insbesondere bei der Besteuerung nach dem Betriebsverkauf muss Eichel noch mit Änderungsanträgen und Lobbydruck rechnen. Während in der Begründung zum Kabinettsentwurf steht, „das Steuersenkungsergänzungsgesetz dient damit der Erweiterung der Mittelstandskomponenten“, bleiben die konkreten Bestimmungen hinter dem zurück, was noch bis 1998 gegolten hatte. Anders als damals soll es nun Einschränkungen beim halbierten Steuersatz geben. So darf er nicht unter den jeweils gültigen Eingangssteuersatz fallen, der 2001 und 2002 19,9 Prozent, 2003 und 2004 17 Prozent und ab 2005 15 Prozent betragen wird. Damit käme der günstigere Steuersatz erst bei einem zu versteuernden Einkommen von mehr als 221.957 Mark zum Tragen. Aber auch nach oben hin hat Eichel eine Grenze gesetzt. Die Regelung gilt nur für Verkaufsgewinne bis zehn Millionen Mark – vor 1998 waren es 15 Millionen Mark. Union und Wirtschaftsverbände haben ihre Kritik bereits angemeldet.

Ein weiterer Streitpunkt dürfte die Anwendung des halbierten Steuersatzes auch für Abfindungen von Beschäftigten sein. Hier drängen Gewerkschaften, Grüne sowie die SPD-Bundestagsfraktion auf eine Gleichbehandlung mit den Unternehmern. Auch diese Regelung wäre nicht neu, sie galt bereits bis 1999 und wurde dann durch die so genannte Fünftelungsregel ersetzt: Danach müssen Entlassene zwar den vollen Steuersatz auf ihre Abfindung zahlen, sie dürfen den Betrag aber bei ihrer Steuererklärung über fünf Jahre verteilen und verringern damit die Steuerprogression. Im Bundesfinanzministerium heißt es, ein halbierter Steuersatz nütze nur Fußballtrainern, die Millionenabfindungen bekämen. Die grünen Steuerexperten haben dagegen ausgerechnet, dass ein abhängig Beschäftigter mit einem Einkommen von 50.000 Mark und einer Abfindung von 30.000 Mark mit dem halbierten Satz gegenüber der Fünftelungsregelung beinahe 1.800 Mark sparen würde.

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