: Die Präsenz in den Theaterspalten
Werbekosten reduzieren und gemeinsame Programme entwickeln: Pragmatische, konsequent verfolgte Ziele des „Vereins der kleinen Bühnen“ ■ Von Petra Schellen
Zu Zeiten der osteuropäischen, im Selbstverlag edierten Samisdat-Literaturen musste sie funktionieren, heute ist sie nur noch wenig hilfreich: die Überzeugung, dass, was gut ist, sich durch Mundpropaganda verbreiten werde und dass größere Ausgaben im Werbebereich nicht nötig seien. Doch die Realität, etwa für die kleinen Hamburger Bühnen, sieht anders aus: Den Hauptanteil dessen, was sie mühevollst erwirtschaften, fressen die Werbeausgaben auf, dringend für Ausstattung und Gage gebrauchte Gelder gehen für die Präsenz in Theaterspalten großer hiesiger Tageszeitungen drauf.
So konnte es kommen, dass Marthe Friedrichs, Leiterin des Kabaretts Mon Marthe, wie sie sagt, „im Juni vor vier Jahren“ wieder mal halb-neidisch an die Kollegen vom Deutschen Bühnenverein dachte, deren Bühnen staatlich gefördert werden. „Da wir kleinen Theater aber wirtschaftlich arbeiten müssen, erfüllen wir die Aufnahmekriterien des Bühnenvereins nicht.“
Deshalb beschloss sie, einen – naja, nicht gerade Gegenentwurf, „dafür sind wir zu klein“–, aber einen Alternativ-Verein zu gründen, dessen Vorsitzende sie noch heute ist. Ziel war und ist, durch gemeinsame Programmbroschüren und -plakate die Werbekosten der einzelnen Theater einzudämmen: Der „Verein der kleinen Bühnen“ war – im Kopf zunächst – geboren, auch wenn die Hamburger Kulturbehörde nicht gerade motivationsfördernd auf das Unterfangen eingewirkt hatte: „Die kriegen Sie nie alle unter einen Hut, haben die damals zu mir gesagt“, kichert Marthe Friedrichs; inzwischen sind, neben ihrem eigenen, sieben Theater – das Atrium, der fools garden, das jüdische Theater Schachar, das Mon Mar-the, das Kellertheater, das monsun theater und das Theater Zeppelin in dem Verein aktiv.
Dessen wichtigstes Ziel ist die Herausgabe eines gemeinsamen Flyers, der, in 30.000er Auflage verteilt, vierteljährlich erscheinen soll und Programm und Adressen aller beteiligten Bühnen enthält. „Das erste Heft haben wir 1998 gemacht, wofür wir eine einmalige Grundfinanzierung der Kulturbehörde bekommen haben“, erzählt Marthe Friedrichs. Doch nicht nur die Präsentation in der Öffentlichkeit: auch ein Ende der szeneninternen Neidereien will der Verein bewirken, „weil man auch bei den Behörden gemeinsam mehr erreichen kann“, betont Günter Dose, Leiter des Kellertheaters.
Weniger kryptisch drückt es Marthe Friedrichs aus: „Wir hoffen Sponsoren zu finden, die auch mal mehr geben, als sie bekommen und nicht nur nach guten Werbeplätzen gieren.“ Es sei doch absurd, wenn ein Theater erwäge, sich auf des Sponsoren Geheiß zum Beispiel nach einer Zigarettenmarke zu nennen: „Da scheint es mir sinnvoller, eine dem Umwelt-Engel ähnliche Auszeichnung für Firmen, die Kultur unterstützen, einzuführen. Es geht nicht, dass sich die kleinen Bühnen ständig um ihre Miete sorgen müssen. Wir brauchen eine Grundfinanzierung: Warum können zum Beispiel die Gelder der Lotto-Stiftung nicht zu gleichen Teilen in den Sport und in die Kultur fließen?“
Doch zunächst setzen die kleinen Bühnen bei sich selber an: Eine „Feuerwehr-Kasse“ wird, so Friedrichs, gebraucht, um in Not geratenen Theatern auch kurzfristig helfen zu können; die Gelder dafür soll ein noch zu gründender Förderverein erbringen. Auch ein gemeinsames Konzept hält sie für sinnvoll: „Wir könnten zum Beispiel gemeinsame Eintrittskarten anbieten, mit denen die Zuschauer en bloc mehrere Theater besuchen können“, fabuliert Günter Dose. An ein gemeinsames Abo der kleinen Bühnen denkt Ulrike von Kieseritzky, Leiterin des monsun theaters und stellvertretende Vorsitzende des Vereins. „Und wenn wir in absehbarer Zukunft ein gemeinsames inhaltliches Konzept zustande brächten, wäre die Zusammenarbeit perfekt“, betont Oliver Hofmeister vom Atrium.
Gemeinsam Mosaiksteine zusammenzusetzen ist, grob umrissen, das Ziel, geboren aus der Erkenntnis, dass Einzelkämpfertum in Zeiten knapper Gelder – und die herrschen ja nicht erst seit gestern – zwar inhaltlich von Nutzen ist, nicht aber in puncto Interessenvertretung. Sichtbares Zeichen der „neuen Geschlossenheit“ der kleinen Theater ist die im Oktober diesen Jahres schon zum zweiten Mal veranstaltete Benefizi-Gala „Bühnenfiz“, die im monsun theater stattfindet und Programmpunkte aller beteiligten Bühnen präsentieren wird.
Denn „Debütbühnen wie unsere sind wichtiger Bestandteil der Kulturlandschaft, weil wir als Sprungbrett junger Künstler wichtige Vorarbeit leisten, die auch die Qualität des Nachwuchses für die großen Häuser sichern“, betont Marthe Friedrichs. „Und deshalb gehört der Topf für die kleinen Bühnen – nur zwei der acht Mitglieder unseres Vereins bekommen städtische Zuschüsse, die kaum für die Miete reichen – eindeutig vergrößert“, wettert Ulrike von Kieseritzky. „Da können wir die Stadt nicht aus ihrer Mitverantwortung entlassen.“
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