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Baustelle mitgebucht

Pauschal in den Urlaub und enttäuscht zurück: Wer Entschädigung will, muss rechtzeitig klagen. Schlechtes Essen ist kaum ein Grund  ■ Von Elke Spanner

Mal zum Tanzen in die Diskothek zu gehen gehört für Jan O. zu einem gelungenen Urlaub durchaus dazu. Den Disko-Lärm vom Bett aus jede und die ganze Nacht hören zu müssen, hingegen nicht. Statt erholt und aufgetankt kehrte er Ende Mai mit Augenrändern aus Andalusien zurück. Er fühlte sich betrogen, um sein Geld einerseits, um die „schönste Zeit des Jahres“ andererseits. Jan O. zog vor Gericht – vergeblich.

Sein Recht, den Reisepreis zu mindern, hatte er längst verwirkt. Denn statt vor Ort zum Veranstalter zu gehen und ein ruhiges Zimmer zu verlangen, hatte er nachts vor Wut in die Kissen gebissen. Findet jemand am Urlaubsort etwas anderes vor, als im Katalog versprochen wurde, muss er es aber umgehend reklamieren. Er muss dem Veranstalter die Möglichkeit eröffnen, Abhilfe zu schaffen. Denn vielleicht findet sich noch ein Zimmer auf der Rückseite des Hotels, in dem nachts das Zirpen von Grillen und nicht der Mambo Nr. 5 zu hören ist.

Falls nicht, kann man anschließend Minderung verlangen. Vier Wochen nach Rückkehr muss man dem Veranstalter schriftlich den Mangel darlegen und beweisen, spätestens nach einem halben Jahr dann Klage einreichen. Der in Hamburg auf Reiserecht spezialisierte Rechtsanwalt Sven Jungmann warnt Urlauber davor, sich schon vor Ort vom Reiseveranstalter mit etwas Geld besänftigen zu lassen – was oft vorkommt, wenn das gebuchte Hotel bereits ausge-lastet ist und die TouristInnen in einem anderen einquartiert werden. Denn: Nimmt man das Geld an, schneidet man sich damit alle weiteren Rechte ab, „auch, wenn man später viel mehr Geld zurück bekommen könnte“.

Einfordern können Reisende ohnehin nur die Leistungen, die zuvor per Katalog versprochen wurden. Es gilt, diesen gründlich zu lesen – und zu interpretieren. Stand beispielsweise im Prospekt, dass das Hotel von Jan O. in einer „lebhaften Umgebung“ steht, kann er Beschwerde und spätere Klage vergessen. Dann hätte er einen angrenzenden Luna-Park oder eben Disko-Lärm von vornherein mitgebucht. Wer sich vor dem Abflug darüber freut, dass eine Bushaltestelle „direkt vor dem Hotel“ sein soll, kann sich später nicht darüber beschweren, dass diese und damit auch die Unterkunft an einer vielbefahrenen Durchfahrtsstraße liegt. Und soll das Hotel den Blick aufs Meer gewähren, heißt das noch lange nicht, dass man das Wasser auch vom eigenen Zimmer aus erspähen kann. Schlechte Karten hat, wer last minute bucht und über sein Ziel nicht mehr als den Namen weiß. Was nicht versprochen wurde, muss auch nicht gehalten werden.

Die häufigsten Beschwerden, so der Hamburger Rechtsanwalt Peter Paulick, reichen Urlauber wegen Baulärm oder schlechtem Essen ein. Dann wird geprüft, ob es sich nur um eine Unannehmlichkeit oder einen juristisch relevanten Mangel handelt. Die Existenz einer Baustelle ist leicht zu beweisen, da genügt es, diese einmal zu fotografieren. Minderung wegen schlechtem Essen ist jedoch laut Paulick in kaum einem Fall durchsetzbar, denn „was ist schon schlechtes Essen? Jeder hat einen anderen Geschmack“. Und dennoch scheinen viele TouristInnen ausgerechnet ihren für den zu halten, der Maßstäbe setzen sollte. „Die Leute beschweren sich sehr viel. Ich glaube, das ist eine deutsche Mentalität“, sagt Paulick.

Manche Veranstalter muten den Reisenden aber auch Unzumutbares zu. Anwalt Jungmann klagt zur Zeit für eine Familie vor dem Landgericht, die eine Schifffahrt auf dem Nil gebucht – und nur ein Hotel an Land bekommen hatte. Das Amtsgericht befand, dass dieses Hotel einen ordentlichen Standard bot und billigte der Familie nur wenig Minderung zu. Jungmann ist mit der Begründung in die höhere Instanz gezogen, dass der Veranstalter die versprochene Leistung nicht schlecht, sondern gar nicht erbracht habe: „Wenn ich ein Auto kaufe“, erklärt er, „möchte ich kein Boot bekommen. Auch wenn beide Fahrzeuge schnell fahren können.“

Ist das Angebot unzumutbar, haben Urlauber das Recht, vor Ort den Vertrag fristlos zu kündigen und wieder abzureisen. Anschließend können sie den Reisepreis zurückverlangen. Doch ehe man sich dafür entscheidet, so Anwalt Paulick, sollte man vom Urlaubsort aus einen Anwalt in Deutschland anrufen. Erkennen nämlich später die Gerichte die Mängel nicht als unzumutbar an, ist der Urlaub nicht nur kein Urlaub, sondern auch noch ein finanzielles Fiasko.

Enttäuschung über eine verdorbene Reise ist grundsätzlich nicht in Geld zu beziffern und als Schaden einzuklagen. In wenigen Ausnahmefällen aber werden „entgangene Urlaubsfreuden“ ersetzt: Wenn ein Grund zur fristlosen Kündigung vorlag und die Urlaubszeit statt am Meer im heimischen Wohnzimmer verbracht wurde. Oder wenn die Mängel so gravierend waren, dass die Gerichte den Reisepreis bereits um mindestens die Hälfte mindern. Das „Frustrationsinteresse“, wie es heißt, bewerten die Hamburger Gerichte in der Regel mit rund 100 Mark pro Tag.

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