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„Keine Freiheit für die Feinde der Freiheit“

■ Gesicht zeigen gegen Rechts: 3000 Menschen demonstrieren auf dem Gänsemarkt

„Gesicht zeigen“: Rund 3000 Menschen haben am Samstag auf dem Hamburger Gänsemarkt gegen rechte Gewalt und Rassismus demonstriert. Zu der Kundgebung – Motto: „Hamburg gegen Naziterror – Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen“ – hatte der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) aufgerufen. Ein breites Bündnis von Parteien, Verbänden und Organisationen bis zur Antifa und dem „Bündnis gegen Rassismus und Faschismus“ unterstützte die Aktion.

Im Wesentlichen zeigte das breite Spektrum Toleranz. Als allerdings Peter Witts vom linken Antifa-Bündnis die bisherige Lethargie von Sozialdemokraten und Gewerkschaften im Kampf gegen Rechts kritisierte, wurden verstärkt „Aufhören“-Rufe laut. Und auch Bürgerschaftspräsidentin Dorothee Stapelfeldt (SPD) als Regierungsvertreterin musste sich einige Buhs anhören, als sie das „demokratische Hamburg“ lobte und sich darüber freute, dass so viele Menschen „Gesicht zeigen“, um sich den „Fratzen der Glatzen“ entgegen zu stellen. Als sie schließlich dazu aufrief, sich gegen rassistische, fremdenfeindliche und antisemitische Gewalt zu engagieren und ein Zeichen zu setzen für das friedliche Zusammenleben aller und für Toleranz und Demokratie, hallte es Sprechchöre: „Nazis morden, der Staat schiebt ab – das ist das gleiche Rassistenpack.“

Zum konsequenten Durchgreifen gegen rechte Gewalt forderte Erhard Pumm auf: „Wir lassen nicht zu, dass Nazis zur Menschenjagd anstacheln“, gab sich der DGB-Chef und SPD-Bürgerschaftsabgeordnete kämpferisch und stellte klar: „Verbote von Nazikundgebungen und auch rechtsradikaler Parteien ändern noch nichts in den Köpfen.“

Dieser Satz richtete sich wohl auch – wenn auch nicht ausgesprochen – an den CDU-Bürgerschaftsabgeordneten Karl-Heinz Ehlers. Der hatte am Mittwoch demonstrativ seine Teilnahme angekündigt und Pumm gleichzeitig „Heuchelei“ vorgeworfen, weil die SPD „linken Terror von Kurden oder Rotfloristen“ stets heruntergespielt und so „den Weg für die Nazibrut mit bereitet“ habe. Direkt angesprochen wurde Ehlers – „weil er gerade da ist“ – von Schmidt-Theater-Chef Corny Littmann: „Ihre Partei“, erinnerte Littmann den CDU-Hardliner, habe unter Adenauer „den Nazi-Paragraphen“ zur Verfolgung von Homosexuellen in die bundesdeutschen Gesetze übernommen.

Die Genehmigung der gestrigen Neonazi-Kundgebung durch das Bundesverfassungsgericht löste bei den Teilnehmenden Unverständnis und Empörung aus: „Es macht mir Angst, wenn die wieder marschieren dürfen“, kommentierte Esther Bejerano vom Auschwitz-Kommitee. „Wenn Antifaschisten von der Polizei verprügelt werden, frage ich, wie ist das nach Ausschwitz alles wieder möglich.“ Bejerano appellierte: „Keine Freiheit für die Feinde der Freiheit, damit nicht wieder das geschieht, was schon einmal geschehen ist.“

Kai von Appen

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