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Pädophile am Pranger

Nach zwei Kindermorden herrscht in Italien Lynchstimmung. Tausende fordern die Todesstrafe. Eine Zeitung veröffentlicht Namen wegen Missbrauchs Verurteilter

ROM taz ■ Zwei Kindermorde, begangen am Freitag und Samstag vergangener Woche, erschüttern Italien. Im ligurischen Imperia wurde Hagere Kilani, ein fünfjähriges tunesisches Mädchen, das Opfer eines rumänischen Einwanderers, und nur einen Tag später wurde die achtjährige Gabriella Mansi im apulischen Andria entführt und bei lebendigem Leib verbrannt.

Die bestialische Ausführung der Verbrechen, das Alter der Opfer, der pädophile Hintergrund der Täter schufen die Voraussetzung dafür, dass die Erschütterung schnell in Lynchstimmung umschlug. Schon die Beerdigung Gabriella Mansis wurde zur Manifestation des Volkszorns: Zehntausend Menschen vor der Kirche forderten in Sprechchören die Todesstrafe.

Rache statt Recht – diese Haltung wird nun von zahlreichen VertreterInnen der Politik nach Kräften gefördert. Alessandra Mussolini, „Duce“-Enkelin und Abgeordnete der rechten Alleanza Nazionale, rief sofort nach chemischer Kastration der Pädophilen. Sofort fand sie sich von dem Lega-Nord-Abgeordneten Giacomo Chiappori überboten: „Diese Leute gehören kastriert, basta. Wenn wir das islamische Gesetz zur Anwendung brächten, hätten wir das Problem schon gelöst.“

Zu den vorgeschlagenen schnellen Lösungen zählt auch die Veröffentlichung von Pädophilenlisten nach britischem Vorbild, favorisiert nicht nur von Alessandra Mussolini und ihrem Parteifreund Maurizio Gasparri, der ankündigte, die Namen verurteilter Täter ins Internet zu stellen.

Auch Patrizia Toia, die für die christdemokratische Volkspartei als Ministerin für Parlamentsfragen im Kabinett sitzt, liebäugelt mit diesem Rezept. Und während die Parteien noch diskutieren, ob der Datenschutz die Preisgabe der Namen von Verurteilten oder nur von Leuten, „die als Personen mit pädophilen Tendenzen eingeschätzt werden“ (Mussolini), zulässt, schafft das rechte Blatt Libero Fakten. Gestern veröffentlichte die erst seit Juli erscheinende Tageszeitung die Namen von 16 wegen Missbrauchs von Minderjährigen Verurteilten.

„Bloße Kompromisslösungen“ seien die chemische Kastration und die Publikation der Listen, befand dagegen Irene Pivetti, ebenfalls zum Regierungslager zählende Abgeordnete der Zentrumspartei Udeur: „Ich will mich nicht zur Fürsprecherin der Lynchjustiz machen, aber ich verstehe sie. Allein der Tod ist die angemessene Strafe für gewisse Verbrechen.“

Doch bisher widersteht das Gros der Regierungskoalition dem Ruf nach Gesetzesverschärfungen. Unrecht lasse sich nicht mit Unrecht bekämpfen, teilte Justizminister Piero Fassino mit. Italien verfüge zudem schon über ein ausreichendes gesetzliches Instrumentarium. Unterstützung erfährt er von den Kinderschutzorganisationen des Landes. Die weisen darauf hin, dass auch in Italien die übergroße Mehrzahl der Missbrauchstäter – so eine Sozialarbeiterin – „Personen sind, die den Kindern nahe stehen und ihr Vertrauen genießen: Väter, Onkel oder auch Priester“. MICHAEL BRAUN

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