: Berlin doch noch zu haben
Neuordnung des deutschen Strommarktes muss noch warten: Gericht untersagt Energiekonzern E.ON, Bewag-Anteile ohne Zustimmung des Senats zu verkaufen
BERLIN taz ■ Das war gut eingefädelt. Leider aber ohne den Wirt auf die Rechnung zu setzen. Die Hamburgischen Electricitäts-Werke (HEW) werden vorerst nicht die Berliner Bewag übernehmen. Das Berliner Landgericht untersagte gestern dem Energiekonzern E.ON, seine Bewag-Anteile ohne Zustimmung des Senats zu verkaufen. Damit ist der von der HEW bereits als unterschrieben gemeldete Vertrag mit E.ON hinfällig. Der Berliner Senat lehnt nämlich die HEW-Übernahme der Bewag ab.
Die Berliner Richter erklärten weiter: Unabhängig davon darf das für einen Einstieg von HEW bei der Bewag erforderliche kartellrechtliche Verfahren betrieben werden. Will sagen: Ganz raus aus dem Rennen sind die HEW aber auch noch nicht.
Um den Deal bereits vor der Gerichtsentscheidung dem Berliner Senat schmackhaft zu machen, hatte HEW-Chef Timm angekündigt, den neuen Firmensitz nach Berlin verlegen zu wollen. Berlins Wirtschafts-Staatssekretär Volker Liepelt nannte die Vorschläge und Zusicherungen der Hamburger „zu oberflächlich und zu vage“. Bislang gebe es nur Zusagen der HEW, dass in Berlin die Hauptverwaltung angesiedelt werde. Wie viel Mitarbeiter die haben wird, sei noch nicht festgelegt.
Unterdessen hat sich die Bundesregierung im Übernahmekampf um den ostdeutschen Energieversorger Veag noch nicht auf einen der bislang zwei Bewerber festgelegt. Momentan scheine das Konzept der HEW und des hinter ihr stehenden schwedischen Konzerns Vattenfall aber „einen Tick besser“ als das des US-Konzerns Southern Energy, erklärte Wirtschaftsminister Werner Müller gestern in Berlin. Am Mittwochabend hatte sich Müller die Vorschläge von HEW-Chef Manfred Timm und Vattenfall-Präsident Lars Josefsson präsentieren lassen.
Ebenfalls am Mittwochabend legte der US-Konzern Southern Energy in Leipzig ein neues Konzept für die Neuordnung der ostdeutschen Stromwirtschaft vor. „Im Mittelpunkt steht ein unabhängiger ostdeutscher Energieverbund aus Bewag, Southern Energy, Veag und Laubag“, sagte der Europa-Chef von Southern Energy, Barney Rus, der auch Aufsichtsratsvorsitzender der Bewag ist. Mit der Kombination der Kräfte könne ein schlagkräftiger, unabhängiger Wettbewerber auf dem deutschen Strommarkt gebildet werden, der im europäischen Feld mitspielen könne, so Rush. Auch der Braunkohlekonzern Mibrag könnte eingebunden werden.
Eine von der Veag bevorzugte „große Lösung“ – also unter Einbeziehung von Vattenfall und HEW – lehnte Rush ab. „Es muss eine klare Führerschaft geben“, betonte Rush. Dass es dabei um die Frage geht, ob Vattenfall oder Southern zur neuen europäischen Strommacht aufsteigt, erwähnte er nicht.
Rush sicherte die Beibehaltung der Braunkohleverstromung in Ostdeutschland, die Erhaltung von Arbeitsplätzen in der Branche und die Stärkung der Strombörse in Leipzig zu. „Wir haben von Anfang an verbindlich zugesagt, die für die Stabilisierung der Veag erforderlichen 50 Terawatt Stunden pro Jahr zu realisieren“, sagte Rush. Das Konzept basiere auf einer soliden finanziellen Grundlage.
Der Vorstandschef der Bewag, Dietmar Winje, forderte gestern rasche Entscheidungen bei der Neuordnung der ostdeutschen Stromwirtschaft. Zur Zusammenarbeit mit dem US-Konzern, der 26 Prozent an der Bewag hält, sieht er keine bessere Alternative. NICK REIMER
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen