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Der Nachwuchs kickt gen Westen

Beim 1. FC Union und Tennis Borussia investiert man viel Geld in die Fußballjugend. Doch die größten Talente wandern ab. Aber nicht zur ortsansässigen Hertha, sondern zu Klubs, die eine größere Offenheit für junge Spieler zeigen

Was hatten sie sich nicht alles vorgenommen im Berliner Fußball. Der lange sträflich vernachlässigte Nachwuchs sollte gerade in der Hauptstadt besonders gefördert werden. Doch kaum installiert, hat das Modell erhebliche Dellen abbekommen. Beim 1. FC Union in Köpenick meldeten sich zu Saisonbeginn gleich drei der hoffnungsvollsten Jungspunde ab: Die Nationalspieler Patrick Jahn (17) und Gordon Weniger (16) wechselten zu höher klassigen Vereinen nach Cottbus und Gladbach. Robert Huth (15) zog es gar zu Chelsea London.

Mancher Unioner fragt inzwischen, ob sich die Plackerei mit den Junioren überhaupt lohnt. Finanziell eher nicht, denn angesichts der 700.000 Mark, die der Klub pro Saison in die moderne Ausbildung mit Viererkette und hauptamtlichen Trainern investiert, wirken die 5.000 Mark „Anerkennungshonorar“ (Jugendmanager Gunter Heidrich) für das abgewanderte Nachwuchstrio wie Salz in der Wunde.

Eine ähnlich hohe Summe wie Union investiert Tennis Borussia jedes Jahr in seinen Talentschuppen. Auch die Charlottenburger, die letzte Saison erst im Halbfinale der Deutsche Juniorenmeisterschaft scheiterten, plagen Verlustängste. Christian Tiffert, ein hoch veranlagter 18-Jähriger, will fortan für den VfB Stuttgart stürmen. Also versucht sich der Abiturient aus seinem Vertrag zu klagen. Nur Trainer Mirko Slomka glaubt noch, seinen Schützling in der Regionalliga halten zu können. „Bisher war noch jedes Gespräch mit ihm erfolgreich.“ Leider kann sich Slomka seit Wochen nur mit Tifferts Mailbox unterhalten. Die Sache ist noch nicht ausgestanden, da äußert auch Tifferts ehemaliger Sturmpartner Emmanuel Krontiris (17) Abwanderungsgedanken – zu Borussia Dortmund.

Fünf Fälle, fünf Ohrfeigen für Hertha BSC. Denn der Branchenprimus hätte die Jungkicker gern in seinen Reihen gesehen. So fühlt man sich in Berlin unwillkürlich an die schlechten alten Zeiten erinnert, als potente Westklubs wie der 1. FC Köln oder Leverkusen spätere Weltstars wie Pierre Littbarski (Zehlendorf) oder Thomas Häßler (Reinickendorf) weglotsten. Das sollte der inzwischen mit viel Geld aus dem Europacup gestärkten Hertha nicht mehr passieren. Zumal der selbst ernannte Deutsche Meister in spe Insassen für sein 30 Millionen Mark teures Renommierprojekt „Home of Hertha“ sucht, ein Nachwuchsinternat, das 2001 neben dem Olympiastadion seine Pforten öffnen soll.

„Dass nicht alle Talente zu Hertha wollen, ist doch klar“, versucht sich Jugendkoordinator Falko Götz in Schadensbegrenzung. Am gebotenen Gehalt für die zukünftigen Cracks könne es jedenfalls nicht liegen. „Da sind wir sehr, sehr konkurrenzfähig.“ Den Einwand, Hertha sei für Teens keine gute Adresse, weil Cheftrainer Jürgen Röber lieber auf ausgereiften Akteure vertraut, lässt der Jugendkoordinator nicht gelten. „Auch bei uns gibt es junge Spieler, die eine Chance bekommen.“ Als Beispiele nennt Götz die Bundesligaprofis Christian Fiedler und Andreas Schmidt, zwei gestandene Mittzwanziger. Beiden stießen sieben bzw. fünf Jahre vor Röber zu Hertha. Seit dessen Amtsantritt konnte sich kein Vereinstalent mehr einen Stammplatz in der ersten Mannschaft erobern. So etwas spricht sich herum. „Hertha ist nicht mein Fall, da bekommen Talente wenig Chancen“, erklärt TeBe-Youngster Krontiris. JÜRGEN SCHULZ

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