Die Euro-Saga – Fortsetzung folgt

Kosovokrieg, Dollarstärke, hohe oder niedrige Zinsen – zur Erklärung der Euro-Schwäche musste schon viel herhalten. Genutzt hat es nie – der Kurswert fällt und fällt. Auch von der heute anstehenden Zinserhöhung erwartet sich niemand mehr Aufwind

von KATHARINA KOUFEN

Übermannsgroß ist der Euro derzeit in Frankfurt präsent. Nicht nur die von Künstlern angefertigten Kunst-Euros in der Innenstadt sind ausgesprochen skurril, sondern auch die Argumente, mit denen die schwächelnde Einheitswährung schöngeredet wird. Vor allem: Sie nützen nichts. Völlig unbeeindruckt zeigt das Kursbarometer nach unten – seit eineinhalb Jahren.

Vor seiner Einführung glaubten viele Volkswirte, der Euro werde dem Dollar Konkurrenz machen. „Das kann und das wird er“, zeigte sich der heutige Bundesbank-Chef Ernst Welteke damals selbstbewusst. Doch nur zwei Tage lang stieg der Euro nach seiner Einführung am 4. Januar 1999 – seitdem geht es stetig bergab. Am 11. Januar war der Wert bereits von anfangs 1,17 auf 1,15 Dollar gesunken. „Der Euro tendierte etwas leichter“, meldete die Nachrichtenagentur Reuters damals noch arglos.

Anfang April 1999 teilte die Nachrichtenagentur Associated Press (AP) mit es gebe „erste Ernüchterung nach knapp 100 Tagen Euro“. Nun werde es allerdings endgültig aufwärts gehen – schließlich war Finanzminister Lafontaine, der Schrecken der Finanzmärkte, zurückgetreten.

Am 9. April begründeten Händler laut Reuters die anhaltende Euro-Schwäche so: „Eine Welle von Dollar-Käufen, nach Berichten, wonach Russlands Präsident Boris Jelzin die Ausrichtung von Raketen auf Nato-Staaten angeordnet hat, die an Angriffen gegen Jugoslawien beteiligt sind, ist für den Rückgang des Euro verantwortlich.“

Am 21. April hieß es bei derselben Agentur, „Händler erklärten die Talfahrt mit Ängsten vor hohen Kosten, die auf die Euro-Länder aufgrund des Kosovokrieges zukommen könnten.“ Eine wacklige Begründung – schließlich hätte aus demselben Grund auch der Dollar fallen können.

Neun Tage später meldete Reuters, die gemeinsame europäische Währung reagiere „besonders sensibel auf die Friedensmission des russischen Gesandten Wiktor Tschernomyrdin in Belgrad“. Mittlerweile lag der Kurs bei 1,0557 Dollar.

Ende November, der Krieg war – anders als der Eurosinkflug – längst vorbei, rückte die „psychologisch wichtige“ Marke von einem Dollar je Euro in gefährliche Nähe. Reuters zitierte am 26. November einen verzweifelten Händler: „Gerade die Überzeugung, dass der Euro unmittelbar davor ist, wieder zuzulegen, führt im Endeffekt dazu, dass er noch schwächer wird.“ Vier Tage später kostete ein Euro nur noch 1,006 Dollar.

Am 26. Januar 2000 sank der Währungskurs dann tatsächlich unter die Dollar-Marke. „Die Euro-Schwäche ist in Wirklichkeit eine Dollar-Stärke“, verteidigten die Zentralbänker ihr Sorgenkind. Am 31. März meldete die Deutsche Presse Agentur (DPA): „Euro im Tief – Deutschland und Frankreich für einen starken Euro“. Völlig unbeeindruckt fiel der Euro weiter – auf seinen historischen Tiefpunkt von rund 95 Cent.

Am 20. April sahen laut Reuters Händler die Schuld für die schlappe Währung bei Österreich und Italien, wo „politische Unsicherheiten den Euro weiter schwächten“. Der italienische Ministerpräsident Massimo D’Alema war zurückgetreten, in Österreich riet FPÖ-Chef Jörg Haider seinem Land den Ausstieg aus der EU. Der Eurokurs landete unter 0,94 Dollar.

Oft schon ist in der Vergangenheit das „Aufwertungspotenzial“ des Euro beschworen worden. Vergebens. Neoliberale Hardliner wie der Vorsitzende der Wirtschaftsweisen, Jürgen Donges, nutzen die zunehmende Ratlosigkeit, um die „schleppende Modernisierung“ des europäischen Wirtschaftsraums anzumahnen. CSU-Landesgruppenchef Glos warnte: „Der Euro macht alle Deutschen ärmer“. Einzig Finanzminster Hans Eichel verordnete weiterhin Optimismus: Die Euro-Schwäche werde schon „in nächster Zeit“ überwunden.

Anfang Mai nahm der Euro mühelos die nächste „psychologische Marke“ von 90 Cent: Als der Beitritt Griechenlands zur Euro-Zone festand, purzelte die Währung auf 88,44 Cent – absoluter Tiefpunkt. Der könnte allerdings jeden Moment unterschritten werden. Nach kurzzeitiger Erholung sinkt der Euro schon wieder – gestern Nachmittag auf 89,09 Cent.

Inzwischen gibt wohl niemand mehr einen Deut auf die unendlichen Geschichten, die zur Begründung erfunden werden. So schwindet auch der Glaube, dass die heute anstehende Zinserhöhung der Zentralbank irgendeine Wirkung auf den Euro haben könnte – hieß es doch mal, hohe Zinsen helfen dem Euro, und ein anderes Mal, hohe Zinsen schaden dem Euro. DPA hat das richtig erkannt und meldet: „Euro-Experten mit Latein am Ende“.