: Alte Leidenschaften
■ Vorbildliches Spät-Indie-Songwriting, perlende Songs: Heute Abend sind die tollen Pinback zu Gast im Knust
Gelegentlich halten ja auch abgekühlte Leidenschaften noch den einen oder anderen Thrill bereit. Die Band 3 Mile Pilot etwa wusste noch bis vor kurzem dem eigentlich zwischen weitgehender Überkommenheit und ironiebetankter Hysterie dahin vegetierenden große-Gesten-Rock manch formidables Epos abzuringen. Da erfreuten sich im Idealfall dann Led Zeppelin-, Neil Young- und Pavement-Anhänger gleichermaßen an sorgfältig aufbereitetem Pathos und kompositorisch-arrangementmäßiger Gewalt. Dass 3 Mile Pilot dennoch zeitlebens chronisch unterbewertet wurden, woraus die umso ambitionierteren Käufer ihrer unzähligen selbstfinanzierten Alben, Singles und transparenten 12“es in Propellerform bis heute einen gewissen masochistischen Distinktionsgewinn beziehen, scheint genauso zu den Gesetzmäßigkeiten der (Musik-) Welt zu gehören.
Inzwischen liegen 3 Mile Pilot auf Eis, und ihr markanter Sänger Pall Jenkins treibt sein sinistres und bisweilen sehr feines Slow-Core-Trio Black Heart Procession voran. Mit Pinback meldet sich jetzt ein weiterer der Piloten zurück. Armistead Burwell Smith IV, der Einfachheit halber Zach geheißen, spielte dort diverse Saiteninstrumente, hier ist er irgendwie an allem beteiligt. Auf dem tollen Album This Is A Pinback CD haben Zach und Rob Crow, die andere Hälfte von Pinback, gesungen, und (fast) alle Instrumente selbst eingespielt oder programmiert. Trotzdem gibt es da weniger nerdige Basteleien als vielmehr vorbildliches, optimistisches Spät-Indie-Songwriting zu hören. Wunderbare Songs, die Sea and Cake nie gemacht haben (und, glaubt man ersten Wehen von deren neuem Album, wohl auch nicht mehr machen werden) und die bei Pavement auf B-Seiten verbannt würden, perlen da hintereinander her. Klischeeträchtig wäre da von Spätsommer, Herbst o.ä. zu sprechen.
Gewissen Modernitätsansprüchen genügt das auch noch – in derartig orientierten Plattenläden würde man bei einzelnen Stücken wohl von „Indie-Tronic“ sprechen. Ob Zach und Rob auch live alles selbst in die Hand nehmen, ob gar 3 Mile Pilot-Schlagzeuger Tom Zinser dabei sein wird, bleibt abzuwarten. Ein schöner Abend sollte es allemal werden. Alexander Diehl
heute, 21 Uhr, Knust
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