: Mach' mir den Hengst
■ Telefonsex ist spannend – fanden ein paar Knirpse und verquatschten 850 Mark
„Ich bin ein Pferd.“ Mehrfach gepiepst von einem Kinderstimmchen – das kostet eine Familie aus dem Bremer Umland nun 850 Mark. Zu zahlen an die Telekom. Denn der Knirps sprach den Satz durchs Telefon ins Ohr einer Frau am anderen Ende einer 0190er-Nummer. Da warten „Jacqueline, 18“ oder „Martina, 24“ auf männliche Anrufer und versprechen schöne Minuten für jeweils 2,42 Mark. Dass der Dreikäsehoch zwar männlich, aber gerademal neun Jahre alt ist, haben offenbar weder Jacqueline noch Martina noch all die anderen bemerkt, die die Kinder – der Neunjährige war gemeinsam mit einem Zehn- und einem Zwölfjährigen aktiv – mehrfach an der Strippe hatten. Die Männer in spe hatten offenbar stets dann, wenn's ihren kindlichen Horizont überstieg, wieder aufgelegt.
Als die Telekom, die bei solchen Nummern als Eintreiber fungiert, die Rechnung zustellt, fliegt der Spaß auf. Die Eltern stellen die Wichte zur Rede, und sie gestehen. Mama und Papa wollen die Rechnung nicht bezahlen. Die Telekom besteht darauf. „Pech für die Eltern“ lautet die Begründung. Ein Anschluss sei einem Vertragspartner zuzuordnen, „und der ist verantwortlich für diesen Anschluss“, so Telekom-Sprecher Frank Domagala.
Die Eltern und ihr Anwalt argumentieren mit der „Sittenwidrigkeit“ dieser 0190-Nummer. „Sittenwidrige“ Geschäfte, die gegen das „Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“ (so das Bürgerliche Gesetzbuch) verstoßen, sind nichtig. Und „heiße Quickies“ per Telefon, wie sie in manchen Zeitungen inseriert sind, hat das Oberlandesgericht Stuttgart als sittenwidrig bezeichnet.
Im Fall der drei Strolche aber ist fraglich, ob das Argument sticht: Die Jungs haben nämlich die 0190/777 777 gewählt: eine Chat-Line. Eine verheißungsvolle Automatenstimme verknüpft flirtwillige Männer und Frauen, die daran nichts verdienen. Und so etwas, erklärt die Bremer Verbraucherzentrale, sei nicht sittenwidrig.
Ob juristisch gegen Sitten verstoßend oder nicht – die Mutter findet es nicht in Ordnung, dass man Sohnemann und Freunde – alle drei angesichts noch fehlenden Stimmbruchs fernmündlich als Kinder identifizierbar – dennoch so lange in der Leitung surfen lässt.
Das Unternehmen, das die Nummer betreibt, hält sich bedeckt. Es ist das Medien- und Dienstlei-stungsunternehmen KPS Programme Schulenburg. Es gebe „Checker“, die überprüfen, wer sich auf der Schulenburg–Line anbaggere, und Kinder würden rausgeworfen. Aber leider können man viel mehr nicht sagen: weder der zuständige Mitarbeiter noch KPS-Chef Klaus-Peter Schulenburg seien anwesend. Schulterzucken auch bei der Telekom. Die Eltern sollten sich doch mit dem Anbieter einigen.
Die Eltern haben auf Anraten des Anwalts die Rechnung bezahlt. 850 Mark, so sein Hinweis, sei viel billiger als ein möglicher Gang durch die Instanzen. Und für die Kinder sei's auch besser.
Die scheinen ohnehin geheilt. Knirps Nummer Eins – „ich bin ein Pferd“ – hat sein 0190-Telefonerlebnis offenbar schwer irritiert: „Die haben immer so komische Geräusche gemacht.“ sgi
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen