piwik no script img

Tumulte im hessischen Landtag

Der Zwischenruf des CDU-Abgeordneten Clemens Reif führt im hessischen Landtag zum Eklat. „Geh doch zurück nach San’a“, soll er dem grünen Fraktionschef Tarek Al-Wazir empfohlen haben. Die CDU will es allerdings ganz anders gehört haben

von KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

Noch am Dienstag beschworen die im hessischen Landtag vertretenen Parteien feierlich die „Gemeinsamkeit der Demokraten“ beim Kampf gegen den Rechtsradikalismus. Der CDU-Landtagsabgeordnete Clemens Reif (49) allerdings hatte an diesem Tag offenbar „die Ohren auf Durchzug gestellt“, wie bei den Grünen gemutmaßt wurde. Denn in der von den Grünen beantragten Aktuellen Stunde zum Thema: „Hessen: Land der Lügen“, in der gestern die aktuelle Entwicklung in der Spenden- und Schwarzgeldaffäre der hessischen Union diskutiert werden sollte, sorgte Reif mit einer Äußerung für einen Eklat. „Geh doch zurück nach San’a!“, soll Reif in einem Zwischenruf den Fraktionsvorsitzenden der Bündnisgrünen, Tarek Al-Wazir, geschmäht haben, als dieser in seiner Antragsbegründung für die Aktuelle Stunde gerade mit Ministerpräsident Roland Koch (CDU) hart ins Gericht gegangen war.

Al-Wazir, geboren in Offenbach am Main, besitzt auch einen jemenitischen Pass. Sein Vater stammt aus dem Jemen; die Mutter ist Deutsche. Und erst vor wenigen Wochen heiratete der junge Shooting Star bei den hessischen Grünen eine Jemenitin.

Nach Reifs Äußerung kam es zu tumultartigen Szenen im Plenarsaal. SPD und Grüne verlangten vom Parlamentspräsidenten umgehend die Erteilung einer Rüge. Reif habe schließlich eine „Sauerei an der rechten Ecke angezettelt“, echauffierte sich etwa der Fraktionsvorsitzende der SPD, Armin Clauss. Schon einmal sei Al-Wazir in einer Sitzung des Innenausschusses aus der CDU-Ecke heraus verunglimpft worden: als „Kameltreiber“.

„Solche Äußerungen sind mit die Ursache dafür, dass hier rechtsradikale Schlägerbanden Ausländer verfolgen und ermorden“, so Clauss. Worte des Trostes für seinen durch den „Ausgrenzungsversuch“ von Reif sichtlich mitgenommenen Fraktionsvorsitzenden hatte anschließend der frühere grüne Justizminister Rupert von Plottnitz parat: „Wir mögen Tarek Al-Wazir sehr; und wir sind stolz auf ihn.“

Der Landtagpräsident jedenfalls unterbrach die Sitzung für eine halbe Stunde und berief den Ältestenrat ein. Und die Abgeordneten der CDU trafen sich zur Fraktionssitzung. Im Anschluss daran hieß es dann bei der Union, dass Reif lediglich die Worte „Ein Student aus San’a!“ dazwischen gerufen habe. Doch auf der Pressetribüne hoch über dem Plenarsaal war Reif sehr gut zu verstehen gewesen: „Geh doch zurück nach San’a!“ Die Union kam mit ihrer Version des Satzes am Ende durch. Und brauchte sich nur „lauwarm“, so die Grünen, zu entschuldigen. Reif wurde nachträglich „zur Ordnung gerufen“, da auch die Äußerung: „Ein Student aus San’a!“ beleidigend gemeint gewesen sei, so Landtagspräsident Möller (CDU). Gleichzeitig gerügt wurden aber auch Zwischenrufe aus den Reihen der SPD während einer kurzen Stellungnahme des Ministerpräsidenten Roland Koch zum eigentlichen Thema der Aktuellen Stunde. Dieser war von Armin Clauss als „elitärer, arroganter Pinkel“ bezeichnet worden. Jeweils eine Rüge gab es auch für die Titulierungen: „Lügner und Vertuscher!“ und „Korruptester Ministerpräsident aller Zeiten!“

Der grüne Fraktionschef Al-Wazir schlug dann übrigens während der Debatte hart zurück. Indirekt nannte er die CDU eine Mafia. Innenminister Volker Bouffier (CDU) sprang im Quadrat. Al-Wazir musste sich entschuldigen. Und in der Sache? Kaum Neues. Nur Hardliner Manfred Kanther, Exgeneralsekretär der hessischen Union, steht wieder am Pranger. Einen Beratervertrag mit dem CDU-Großspender Ferrero soll Kanther 1998 abgeschlossen haben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen