: Energie für den Balkan
Buchtipp: Reader über die Energiesektoren in Südosteuropa mit hohem Gebrauchswert
Dass es um die Wirtschaft der ehemals kommunistischen Länder Europas nicht gut steht, ist bekannt. Der jetzt bei der Bertelsmann-Stiftung auf Englisch erschienene Reader „Energy and the Transformation Process in Southeastern Europe“ leistet am Beispiel des Energiesektors nicht nur eine sachliche Beschreibung der tatsächlich katastrophalen Lage sowohl der exkommunistischen als auch eines der kapitalistischen Balkanländer.
Die insgesamt 21 südosteuropäischen und internationalen Autoren machen auf den rund 250 Seiten auch Vorschläge, wie mit der Dauerkrise in Bulgarien, Rumänien, Ungarn, Jugoslawien, Makedonien, in der Türkei, in Russland, der Ukraine und in Moldawien umgegangen werden könnte. Hinzu kommt ein Kapitel über westliche Hilfsprogramme für den südosteuropäischen Energiesektor.
Für einen Reader aus Wissenschaftlerkreisen ist ein solch hohes Maß an Gebrauchswert – um nicht zu sagen: Service – ungewöhnlich. Dahinter steht die „Transatlantic Learning Community“, ein Zusammenschluss von wissenschaftlichen Projekten und Instituten, die es sich zum Ziel gemacht haben, besonders kritische Aspekte des Übergangs vom Sozialismus zum Kapitalismus in Ost- und Südosteuropa einem breiteren (Fach-)Publikum zugänglich zu machen. Im Vorwort werden die Herausgeber, Franz-Lothar Altmann vom Südost-Institut und John Lampe von der Universität Maryland, deutlich: Die Community soll „angewandte Politikforschung breit diskutieren und weit streuen, um damit dem gegenseitigen Lernen zwischen Europa und den USA zu dienen“, und so zum Finden gemeinsamer Lösungen für die desolate Lage der exkommunistischen Volkswirtschaften beitragen.
Doch auch für Interessenten, die weniger weit gehen wollen oder gar den Übergang von der alten Staatsverwaltungs- in die Marktwirtschaft nach zehn Jahren für bereits gescheitert halten, bietet der Reader reichlich Wissenswertes. Im ersten Drittel wird der Energiesektor von Bulgarien und Rumänien ausführlich beschrieben.
Im zweiten Abschnitt geht es um die regionale Nachbarschaft und deren Energiesektoren sowie um die Frage von Vernetzung oder Nichtvernetzung. Die für Leser mit guten Englischkenntnissen mühelos verständlichen Aufsätze strotzen dabei nicht nur von Zahlenmaterial, sondern bieten auch zahlreiche Schaubilder, die das Verständnis erleichtern.
So eignet sich der Band auch als Nachschlagewerk für Politikstudenten oder Wirtschaftsjournalisten, die für einen Aufsatz oder einen Bericht schnell wissen wollen, wie das Öl- und Gaspipeline-Netz des Balkans beschaffen ist oder wie weit die Privatisierung des Energiesektors in Ungarn ist. Wäre Regionalwissenschaft immer so alltagstauglich, Diskussionen wie die über die Abschaffung des Osteuropa-Instituts der FU Berlin wären seltener. RÜDIGER ROSSIG
Franz-Lothar Altmann, John Lampe:„Energy and the TransformationProcess in Southeastern Europe“.Bertelsmann Foundation Publishers,Gütersloh 2000, ISBN 3-89204-451-1
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