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die anderen

Der Corriere della Sera aus Mailand kommentiert Schröders Besuch in Dessau: Gerhard Schröder kommt in aller Stille. Die kleine Menge der Funktionäre und Leibwächter hält Abstand. Der Kanzler legt an der Gedenkstele für den von Neonazis ermordeten Mosambikaner Alberto Adriano ein Blumengebinde nieder. Der Kanzler sagt nichts. Er scheint bewegt zu sein. Vielleicht denkt er an die Kritik in der deutschen Presse: Warum nicht die Witwe und ihre drei Kinder besuchen, die nur wenige hundert Meter entfernt wohnen?

Über das Neonazi-Urteil von Halle meint Právo aus Prag: Das Urteil ist zweifellos hart: Ein 24-Jähriger wird jahrzehntelang hinter Gitter sein, die beiden 16-Jährigen werden nach Verbüßung ihrer Strafe keinen einfachen Start ins Leben haben. Aber kaum vorstellbar ist auch, dass jemand nach drei Tagen an seinen inneren Verletzungen starb und drei farbige Kinder in einer Gesellschaft hinterlässt, in der Farbige unerwünscht sind. In diesem Punkt sind die Verhältnisse in Ostdeutschland ähnlich wie die in Tschechien.

Information aus Kopenhagen meint zur Situation in Jugoslawien vor den Wahlen: Es gibt Anlass, die Ereignisse auf dem Balkan in den nächsten Monaten extrem aufmerksam zu verfolgen. Nicht nur, weil eine Reihe ungelöster Konflikte kurz vor dem Siedepunkt stehen. Genauso wichtig ist, dass sich die schlechte Wirtschaftslage plus ethnische Konflikte als konstant explosive Elemente in den nächsten Monaten mit dem Zündstoff Nummer eins vermischen: Abhaltung von Wahlen in politisch unreifen Systemen. Es ist Wahlsaison auf dem Balkan. Das bedeutet Krach und wird den Westen in den kommenden Monaten vor neue Herausforderungen stellen. Die internationale Gemeinschaft muss sich nun entscheiden, was sie mit dem Kosovo will. Die Albaner brauchen Garantien, dass sie nie wieder direkt Belgrad unterstellt werden. Den Kosovo-Serben müssen Minderheitsrechte und physische Sicherheit garantiert werden. Der Status quo ist für die Serben und die internationale Gemeinschaft im Kosovo gleichermaßen todbringend.

Über die Rolle der Religion im US-Wahlkampf schreibt De Volkskrant aus Den Haag: Wenn Gott wählen dürfte, die Entscheidung würde ihm schwer fallen. Republikaner und Demokraten präsentieren gleichermaßen mit großem Aufwand ihren Glauben. Religion dient nach Ansicht des bekannten und respektlosen Journalisten H. L. Mencken allzu oft als „Deckmantel für Politiker und als Knüppel, den die Moralisten benutzen“. Wer sich nicht aus voller Brust bekennt, hat im Rennen um das Weiße Haus nichts mehr verloren.

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