: Gemeinsam stärker
Beim Südamerika-Gipfel in Brasilia beschlossen die zwölf Staats- und Regierungschefs, bis 2002 eine gemeinsame Freihandelszone einzurichten
aus Buenos Aires INGO MALCHER
In der brasilianischen Hauptstadt Brasilia trafen sich am Donnerstag und Freitag auf Einladung von Präsident Fernando Henrique Cardoso die zwölf Regierungschefs Südamerikas, um über die wirtschaftliche Integration auf dem Kontinent zu debattieren. Es standen keine detaillierten wirtschaftspolitischen Entscheidungen auf der Tagesordnung. Cardosos Ziel war, eine gemeinsame Verhandlungsposition aufzubauen, wenn es im kommenden Jahr zu Verhandlungen mit den USA über die Schaffung einer schon vom ehemaligen US-Präsident George Bush vorgeschlagenen Freihandelszone von Alaska bis Feuerland (FTAA) kommt. „Vereint wird Südamerika seine Interessen mit noch mehr Kraft vertreten“, sagte Cardoso.
Dazu sollen bis 2002 zunächst die beiden südamerikanischen Wirtschaftsblöcke Mercosur und der Andenpakt eine gemeinsame Freihandelszone bilden. Zu Mercosur haben sich 1991 Argentinien, Brasilien, Uruguay und Paraguay zusammengeschlossen. Chile und Bolivien sind assoziierte Mitglieder. Demgegenüber steht der Andenpakt mit Bolivien, Kolumbien, Ecuador und Venezuela. Der Mercosur hat noch die Wahl: Im Raum steht der Vorschlag eines Freihandelsabkommens mit der Europäischen Union. Zuletzt hat der mexikanische Präsident Vincente Fox auf einer Reise durch die Mercosur-Länder anklingen lassen, dass er sich eine Freihandelszone Mexiko/Mercosur vorstellen könne.
Brasiliens Präsident Cardoso scheint eine nördliche Ausdehnung des Mercosur auf dem südamerikanischen Kontinent lieber zu sein als eine Vertiefung. Denn die Beziehungen mit Argentinien, vor allem in der Automobilindustrie, sind schon kompliziert genug. Für Cardoso ist die Integration der lateinamerikanischen Regionen „ein wichtiges Instrument, um der Globalisierung die Stirn zu bieten.“ Cardoso hält es für wünschenswert, wenn sich der Andenpakt und der Mercosur einander annähern. Ab dem Jahr 2002 könnte eine Freihandelszone geschaffen werden, die auch das isolierte Surinam und Guyana miteinbezieht. Damit der Kontinent auch verkehrlich enger zusammenrückt, wurden mehrere Infrastrukturprojekte wie Straßen, Eisenbahnverbindungen und Pipelines geplant. Bei den Verhandlungen mit den USA in Sachen FTAA will man als gemeinsamer Block auftreten und die USA bewegen, ihr Versprechen vom „Fast Track“, von schnellen Verhandlungen, wahr zu machen. „Denn ohne ‚Fast Track‘ ist die FTAA tot“, sagt Cardoso.
Theoretisch könnten die südamerikanischen Staaten einfach der Nafta beitreten. Der Vertrag über das Nordamerikanische Freihandelsabkommen, zu dem sich Kanada, die USA und Mexiko zusammengeschlossen haben, hat eine Beitrittsklausel. Allerdings ist zu befürchten, dass Zeitpunkt und Bedingung eines Beitritts im Wesentlichen die USA diktieren. Genau das will Cardoso anscheinend verhindern.
Dass es die brasilianische Regierung war, die alle zwölf Staatschefs an einen Tisch gebracht hat, deutet darauf hin, dass der südamerikanische Riese nach zahlreichen Krisen zu neuem Selbstvertrauen gefunden hat und zu einer Führungsmacht auf dem Kontinent werden möchte. Das Land stellt die Hälfte der Bevölkerung Südamerikas und hat die neuntgrößte Wirtschaft der Welt. Cardoso sagte, der Subkontinent wolle in Zukunft „nicht nur einfach über den Entscheidungen der G 7 informiert werden“, sondern aktiv an den Entscheidungsfindungen teilnehmen.
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