: Gegen Feuer-Fußball mit den Neonazis
■ Spätes Erwachen in Neumünster: „Ich habe zu lange weggeschaut“
Christian Worch ist wütend. Auf Anweisung der Polizei musste der Hamburger Führer der Freien Nationalisten am vergangenen Samstag in Neumünster seinen „Kameraden“ den Rückzug befehlen. Die Polizei wollte nicht zum zweiten Mal eine Blockade des „Bündnisses gegen Rechts“ in der Innenstadt räumen, und ordnete deshalb den Rückzug der über 400 Neonazis zum Auftaktsort an.
Damit beendeten etwa 500 Gegendemonstranten nach knapp einer Stunde den vom Bundesverfassungsgericht in letzter Instanz genehmigten Naziaufmarsch für den Erhalt des „Clubs 88“.
Anlass des Aufmarsches waren die Bemühungen der SPD-regierten Stadt, den „Club 88“ im Stadteil Gadeland zu schließen. Gegen die Solidaritätsdemo für den Nazi-Club hatte das „Bündnis gegen Rechts“ zu einer Kundgebung aufgerufen. Etwa 500 Menschen, überwiegend aus Neumünster, waren gekommen. „Endlich sieht auch der Stadtrat ein, dass er handeln muss“, sagt Bündnissprecher Heiner Wadle und erinnert an die regelmäßigen Übergriffe aus dem Umfeld des Clubs. Nur das Wegsehen und Nichthandeln habe den Club zu einem bundesweit bedeutsamen Neonazizentrum werden lassen. Dies räumt auch SPD-Ratsherr Andreas Hering ein. „Ich habe zu lange weggeschaut“. Heute weiß er, dass wer „mit den Neonazis Fußball spielt, mit dem Feuer spielt“. Als er den SPD-Oberbürgermeister Harmut Unterlehrberg begrüßt, erntet er wenig Applaus. Viele Kundgebungsteilnehmer wissen, wie lange die Gefahr des „Clubs 88“ in der Kleinstadt beschönigt wurde. „Jetzt sind alle gegen den Club 88, davor haben die sich eher an den Aktionen der Antifa gestört“, meint eine junge Frau. Lange bevor sich der Stadtrat mit dem Thema beschäftigen wollte, hatte die Neumünsteraner Antifa in Gadeland Flugblätter verteilt und vor der Gefahr gewarnt. Das war im Frühjahr, damals hat die Polizei die Aktion beobachtet. Dann passierte lange gar nichts, bis die Polizei vor wenigen Wochen, den Club durchsuchte.
Heute berät der Stadtrat ob der Club-Betreiberin Christiane Dolscheid nicht wegen „Unzuverlässigkeit“ die Gaststättenkonzession mit sofortiger Wirkung entzogen werden kann. Für diesen Fall hat Worch bereist juristischen Widerspruch angekündigt. „Wir lassen uns den Club nicht schließen.“
Andreas Speit
Siehe Bericht Seite 2
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