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Blaue Party im Bremer Knast

■ Das Blaue Kamel macht Station in der Justizvollzugsanstalt Oslebshausen: Aber nur 30 Sträflinge dürfen mitfeiern

Ein seltsames Fleckchen Grün hatte sich das Blaue Kamel gestern als Zwischenstation ausgeguckt: Eine hohe Mauer mit dreifach verwickeltem Nato-Draht und einem Schild „Vorsicht Lebensgefahr“ (in acht Sprachen übersetzt). Vor diesem Hintergrund versuchten die Mitglieder der so genannten „Blauen Karawane“ mit Musik und Clownerie ein bisschen fröhliches Leben in den Knast-Hof zu zaubern. Es war der elfte Tag der Karawane 2000. In der Justizvollzugsanstalt Oslebshausen wollten sie gestern auf die Ausgrenzung, Erniedrigung und Perspektivlosigkeit der Häftlinge hinweisen.

Unter den Argusaugen der Aufseher dürfen rund 30 Häftlinge aus Oslebshausen und Blockland den Einzug des Blauen Kamels mitfeiern. Mehr Gefangene hatte die Anstaltsleitung nicht zugelassen. Den Übrigen blieb nur der ferne Blick aus den vergitterten Fenstern. „Was ist mit den anderen?“, fragte sich so mancher Karawanen-Zieher und bekam „gemischte Gefühle“.

Mauern öffnen, wollten die OrganisatorInnen – vor allem in den Köpfen. „Auch die Menschen in Haft sind Teil unserer Gesellschaft.“ Jetzt steht ein Trüppchen der Karawane in der Hofecke, Gitarren-Klänge („Mamor, Stein und Eisen bricht“) und Gespräche sorgen für ein bisschen Ausgelassenheit. Im Wind flattern bemalte Tücher („Die Steinwände haben mich kalt gemacht“), die der Karawane als Geschenke mit auf den Weg gegeben werden.

Leicht war er nicht, der Weg in den Knast. „Die Anstaltsleitung hat mehrfach die Augen verdreht, als wie ihnen unsere Pläne vorgestellt haben“, so die Karawane. Trotz aller Bürokratie sind nun 40 der Aktiven „drin“. Auch Sozialsenatorin Hilde Adolf (SPD) ist spontan dazu gestoßen, um dieses Stück der Karawane mitzugehen. Eine „Super-Aktion“, bekundet die Senatorin. Wie bei der Karawane bräuchte auch die Gesellschaft „mehr Miteinander statt Nebeneinander“.

Für Frank waren die paar Tage mit dem blauen Kamel einfach „Weltklasse“. Als einer von fünf Häftlingen konnte er einen Teil der Tour mitziehen. Gut sechs Jahre ist er in Haft, in zwei Monaten kommt er raus. „Bei der Karawane habe ich viele Leute kennen gelernt“, schwärmt Frank. Freunde, Bekannte, Kontakte – für die Zeit, wenn er wieder draußen ist. „Mauern öffnen, passiert hier vielleicht nicht“, meint der 32-Jährige. „Aber ein bisschen mehr Toleranz.“

Die Justizvollzugsanstalt war die vorletzte Station der Reise. Von jedem Themen-Ort (Blauschimmel in Oldenburg, Asylbewerber in Blankenburg, Arbeitslose in Vegesack) wurden Geschenke mitgenommen, die die Ausgrenzung dieser Gruppen deutlich machen soll. Morgen Nachmittag soll der Katamaran-Zug schließlich an der Bremer Schlachte anlanden. Mittwoch wird auf dem Bremer Markt groß gefeiert. pipe

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