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Fanatischer Aktionismus

Scientology diffamiert Thomas Gandow, den Sektenbeauftragten der evangelischen Kirche. Anlass: die Verleihung eines Preises an einen Scientology-Gegner. Gandow erwägt nun rechtliche Schritte

von BARBARA BOLLWAHNDE PAEZ CASANOVA

Scientology macht seit einigen Wochen mit viel Aufwand mobil gegen den Sektenbeauftragten der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg, Thomas Gandow. An seinem Geburtstag, dem 18. August, wurden mit der Tagespost in Zehlendorf Hochglanzbroschüren verteilt. Darin wird Gandow, der sich seit Ende der 70er-Jahre mit Sekten beschäftigt und der seit 1992 Sektenbeauftragter der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg ist, als „Chef-Inquisitor“, „Anti-Sekten-Beauftragter“, „notorischer Glaubensaustreiber“ und „Chefarchitekt der in Teilen Europas betriebenen Diskriminierungskampagne gegen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften und ihre Mitglieder“ diffamiert. Eine Woche später fanden Steglitzer die gleiche Broschüre in ihrer Post. Die Scientology Kirche Deutschland mit Sitz in München fordert zudem von Landesbischof Wolfgang Huber die sofortige Entlassung Gandows wegen dessen „fanatischen Aktionismus“.

Anlass für die Angriffe ist die erstmalige Verleihung des „Alternativen Karlspreises“ durch das „Europäisch-Amerikanische Bürgerkomitee für Menschenrechte und Religionsfreiheit in den USA“, dem Gandow als Privatperson angehört, im Juni in Leipzig. Der Grund: Der Preis ging an den US-Amerikaner Robert Minton, einen ausgewiesenen Scientology-Gegner. Die Verleihung fand als Gegenveranstaltung zur Überreichung des „Karlspreises“ an den US-Präsidenten Bill Clinton statt, dessen liberale Haltung zu Scientology umstritten ist.

Minton, der als Schuldenregulierer für die nigerianische Regierung arbeitete, ist Gründer und Finanzier einer privatrechtlichen Organisation in den USA, die Scientology-Betroffene vor allem bei Prozesskostenhilfen unterstützt – somit ein Dorn im Auge der Scientologen. Deshalb lassen sie keine Gelegenheit aus, ihn als „Wirtschaftskriminellen“ zu bezeichnen und das Bürgerkomitee als „amtskirchlich gesteuerte Tarnorganisation zur Bekämpfung von Minderheitsreligionen“.

Für Gandow ist die Kampagne gegen ihn Ausdruck der finanziellen Schwierigkeiten der Sekte: „Die ärgern sich, weil ihre Umsätze dramatisch zurückgegangen sind.“ Scientology sehe ihren „Hauptfeind“ in Deutschland in der evangelischen Kirche, die schon vor vielen Jahren in ihrem Handbuch religiöser Gemeinschaften vor Scientology warnte. Deshalb ist für ihn klar: „Ich werde angegriffen wegen meinem Einsatz gegen Scientology.“

Die evangelische Kirche Berlin-Brandenburg steht voll hinter ihrem Sektenbeauftragten. Pressesprecher Reinhard Lampe: „Wir sprechen uns entschieden gegen alle Versuche aus, die Arbeit des Sektenbeauftragten zu diffamieren.“ Scientology fühle sich „getroffen“, weil die evangelische Kirche Aufklärungsarbeit leiste über eine Gruppe, „die sich religiös gibt, aber menschenrechtsverletzende Methoden anwendet“. Thomas Gandow indes erwägt rechtliche Schritte gegen Scientology wegen Behauptung falscher Tatsachen und wegen Beleidigung.

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