new economy: Schöne neueJob-Welt
Man mag es kaum glauben. In der Stadt mit über 250.000 Arbeitslosen ist sie schon Wirklichkeit – die schöne neue Job-Welt. Die Unternehmen der „New Economy“ – der neuen Wirtschaft, die im Internet Geschäfte macht – streiten sich um künftige Mitarbeiter: Das Humankapital – die wichtigste Ressource im Web-Kapitalismus.
Kommentar von RICHARD ROTHER
Hoffnung für den arbeitslosen Maurer und die Krankenschwester? Brauchen sie nur ein wenig im Internet-Café abhängen, bis die Headhunter der New Economy sich auf sie stürzen, um sie das Surfen zu lehren? Wohl kaum. Denn wer in der Internet-Branche Karriere machen will, muss schon ein High Potential sein. Und das trifft vor allem auf hoch motivierte, teamfähige Wirtschaftsstudenten zu.
Die sind heiß begehrt. So heiß, dass ihnen der Job durch allerlei Annehmlichkeiten versüßt wird: kostenloses gemeinsames Frühstücken, Yoga auf der Dachterrasse, After-Work-Partys mit den Chefs. Da diese Unternehmenskultur, die im Vergleich mit dem Feldwebelton anderer Branchen durchaus sympathisch ist, nicht jedermenschs Sache ist, gibt es jetzt einen Schnupperkurs in Startup-Unternehmen. Ein Jahr lang dürfen ein paar Auserwählte testen, ob die virtuelle Welt die ihre ist.
Die Berliner Start-up-Firmen verstärken mit dieser neuen Initiative ihr offenes, modernes Image – wichtigster Faktor im Standortwettbewerb. Denn noch ist nicht ausgemacht, welche City Internet-Hauptstadt wird. Dass in der Branche, die erste Pleiten hinnehmen musste, nicht alles Cash ist, was blinkt, kann den Start-up-Jobbern dabei jedoch egal sein. Zumindest so lange, wie Risikokapitalgeber auch in Firmen investieren, die von der wundersamen Geldvermehrung träumen. Sogar der Maurer und die Krankenschwester haben davon etwas: Ohne Wachschützer und Putzkraft kommt auch ein Start-up mit flachen Hierarchien nicht aus. Schöne neue Dienstleistungswelt.
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