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Verständnis für die Bosse

Beinhart ist Frankreichs kommunistischer Transportminister vor allem gegen seine eigenen Genossen

Kein Mitglied der rot-rosa-grünen Regierung in Paris hat mehr Krisen und Katastrophen zu bewältigen. Vom Tunnelbrand unter dem Mont Blanc bis zum Untergang des Öltankers „Erika“. Vom Absturz der Concorde bis zu den Blockadeaktionen der Fuhrunternehmer, die seit Montag die französischen Raffinerien lahmlegen – nirgends passiert so viel, wie in Jean-Claude Gayssots Transportministrium.

Wenn’s hart kommt, ist der rundliche Mann einer, der die Krawatte wehen lässt, die Hemdsärmel hochkrempelt und nächtelang verhandelt. So hat er es mit den Geldtransporteuren gehalten, die im Mai streikten, weil ihre Kollegen bei der Arbeit wie die Kaninchen erschossen wurden. Und so tut er es gegenwärtig mit den Fuhrunternehmern, die ultimativ von der Regierung verlangen, dass sie ihnen Zuschüsse zu den Treibstoffkosten zahlt. Mit seinem notorischen breiten Lächeln erklärte Gayssot gestern Mittag, als die andere Seite laut polternd von „Scheitern“ redete und die Verschärfung des Konfliktes ankündigte: „Ich erwarte eine Lösung im Lauf des Tages.“

Die Besetzung des großen „Ministeriums für Transport, Ausrüstung und Wohnungen“ mit Gayssot war vermutlich eine der besten Personalentscheidungen, die der sozialistische Premierminister Jospin bei Regierungsantritt im Juni 1997 gefällt hat. Nicht nur, weil Gayssot keine Eliteschule besucht hat, sondern Eisenbahner war und so redet, wie die Mehrheit der Franzosen. Nicht nur, weil er ein erfolgreicher Krisenmanager ist. Sondern auch wegen seines Parteibuches. Gayssot ist Kommunist und Mitglied der radikalen Gewerkschaft CGT. Bei französischen Arbeitern – ganz besonders bei den 180.000 Eisenbahnern – und in seiner Partei verfügt er über eine solide Basis. Beides sorgte dafür, dass es gegenüber früheren Legislaturperioden dieses Mal keine längeren Streiks in den öffentlichen Verkehrsbetrieben gibt – nicht einmal bei Air-France, wo die Rot-Rosa-Grünen die Privatisierung eingeleitet haben.

Als Kommunist ist Gayssot natürlich gegen das „Gesetz des Geldes“ und die „wilde Liberalisierung“ – auch im Transportsektor. Bloß lässt er sich das als Minister nicht anmerken. Im Gegenteil: Wenn die Gewerkschaften streiken, müssen sie sich auf wochenlange Arbeitskämpfe einstellen. Wenn die Arbeitgeber auf die Straße gehen, knickt Gayssot rasch ein. Den Fuhrunternehmern gewährte er im Februar nach bloß zwei Tagen Blockade eine Ausnahmeregelung für die 35-Stunden-Woche, die diese zu teuer fanden. Und auch dieses Mal signalisiert er den Herren, er habe Verständnis für ihre Forderung. DOROTHEA HAHN

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