Blechnapf ohne Ende

Die 700 Gefangenen, die in Tegel arbeiten, dürfen Essen und Getränke nicht mehr zur Arbeit mitnehmen – eine Maßnahme gegen den Drogenhandel

„Den Kaffee und Tee aus der Anstaltsküche kann man in hohem Bogen ausspucken“

von BARBARA BOLLWAHN
DE PAEZ CASANOVA

Wieder einmal ist in der Justizvollzugsanstalt Tegel die Kacke am Dampfen. Führte die Überfüllung des für 1.660 Gefangene konzipierten Gefängnisses in der Vergangenheit zu mehreren Hungerstreiks und anderen Protesten, gärt es jetzt unter der arbeitenden Bevölkerung der einhundert Jahre alten Anstalt.

Die etwa 700 Gefangenen, die das zweifelhafte Vergnügen haben, für Beträge zwischen 8 und 12 Mark pro Tag hinter Gittern zu arbeiten, dürfen seit Beginn des Monats kein Essen und keine Getränke mehr mit zur Arbeit nehmen. Kein selbst geschmiertes Frühstücksbrot in der Pause, kein Schluck aus der Thermoskanne, nix. Die werktätigen Knackis müssen von nun an Frühstück, Mittag und Abendessen ausschließlich in den jeweiligen Teilanstalten einnehmen. Tee und Kaffee bekommen sie aus der Anstaltsküche geliefert.

Die Justizverwaltung begründet die Maßnahme etwas kryptisch: „In der Vergangenheit wurden vermehrt Gegenstände von der Arbeit und zurück mitgenommen“, so Justizsprecherin Anja Teschner. Gemeint ist der schwunghafte Handel mit Lebensmitteln und vor allem mit Drogen. Deshalb heißt es von jetzt an: „Beim Ein- und Ausrücken zur Arbeit dürfen keinerlei Behältnisse oder Gegenstände jeglicher Art mehr mitgeführt werden.“ Einzige Ausnahme: Gefangene, die die Schulbank drücken. Diese dürfen ihre Schultaschen mit den Schulmaterialen weiterhin spazieren führen.

„Das ist doch absoluter Quatsch“, schimpfte ein Gefangener, als er die taz anrief. Vor dem Hintergrund, dass die Freistunden seit geraumer Zeit heruntergefahren und die Einschlusszeiten verlängert wurden, werde die neue Regelung zu weiterem Frust führen. „Es fängt an, richtig zu gären.“ Der Gefangene ist sicher, dass die Anstaltsleitung dem Drogenhandel einen Riegel vorschieben will. „Auf den Arbeitsstellen treffen sich Gefangene aus verschiedenen Häusern, und mit der neuen Regelung können keine Drogen mehr in Behältnissen geschmuggelt werden.“

Das Nachsehen haben die Gefangenen, für die die Brotbüchse ausschließlich für das Brot und die Thermoskanne nur für den Kaffee da ist. Der Inhaftierte, der die taz anrief, leidet besonders unter dem Verbot. „Ich arbeite in der Lackierei und atme ständig Lösungsmittel ein.“ Wegen der fehlenden Lüftung habe er immer Milch getrunken. „Das ist wirksam.“ Kaffee und Tee aus der Anstaltsküche findet er inakzeptabel. „Den kann man in hohem Bogen ausspucken.“

Betroffen sind auch Gefangene, die in der Tischlerei oder Buchbinderei arbeiten. Einrichtungen draußen in der Freiheit sind in hohem Maße auf deren Arbeit angewiesen. Dort werden sowohl Schränke für Schulen und Kitas zusammengebaut wie auch Schrankwände oder Schlafzimmer in Einzelanfertigung. In der Buchbinderei werden neben Nachschlagewerken und Ordnern für Bezirksverwaltungen auch Falschparkzettel gedruckt.