Zu Fuß in die Gebärmutter

■ Ein Wal für alle Fälle: Gestern wurde das populärwissenschaftliche „Universum-Science-Center“ eröffnet / Ein Besuch macht Spass, lässt aber viele Fragen offen

229 Kilo! Gut, der Journalistenberuf macht einen nicht unbedingt schlanker, vor allem wenn es so ordentlich Häppchen gibt wie gestern bei der Eröffnung des „Universum-Science-Center“, aber das wäre doch ein bisschen zu viel des Guten. Sie ahnen es schon: Die Zahl ist ein Versuchsergebnis.

Die Impulswaage. Man steigt zwei Stufen hinauf, hüpft herunter auf ein kleines Podest, und schon wird eine rotleuchtende Digitalanzeige aktiv. 229 Kilo hat der arme Journalistenfuß abfangen müssen. „Das geht in die Physik rein“, erklärt die Impulswaagen-Betreuerin. Näheres wisse der „Expeditionsleiter“. Ob sie ihn rufen soll? Nein, schließlich gilt es, ein ganzes Universum zu erforschen.

Das wurde gestern eröffnet. Bürgermeister Henning Scherf hatte wieder einmal Gelegenheit, „Ich freu' mich“ zu sagen, durchschnitt ein Band, und seitdem guckt der 68-Millionen-Wal ganz offiziell aus seinem frisch gefluteten Teich. „Wir müssen die Wissenschaft irgendwann auf die Kelloggs-Cornflakes-Schachtel kriegen“, hatte Gastredner Ranga Yogeshwar (WDR) zuvor gefordert. Bis es soweit ist, sollen die 1.165 science-center, die es 1999 weltweit gab, für mehr „public understanding“ sorgen.

Die Gebärmutter. Sie riecht stark nach Kunststoff, ist schwarz und hat einen schönen Teppich. Durch nierenförmige, faserige Scheiben scheint rötliches Licht. Es gluckert. Hier kann man sich hinsetzen oder hinlegen, Embryo-Fernsehen gucken und dann – ab zum Geburtskanal. Das ist ein niedriger Gang, durch den man den Ausstellungsbereich Mensch erreicht. „Einzigartig“ steht da neben der Großaufnahme eines Neugeborenen. Sphärische Klänge dazu.

Inszenierungen wie diese, „Interaktionen“ aller Art, Multimedia, assoziative Texte, Leibesübungen: Wer sich auf eine Reise durch das kleinteilig strukturierte Innere des Wals begibt, erlebt wissenschaftliches Entertainment. Er – oder sie – kann sein Langzeitgedächtnis mit Toncollagen aus der Vergangenheit auf die Probe stellen, es gibt seifige Geruchs-Zellen (Wie riecht ein Slum?), ein Erdbebenzimmer, frei im Raum hängende Kugelspiele und allerlei mehr. Vieles ist einem schon irgendwoher bekannt, etliches wirkt trotz aller Inszenierungs-bemühungen wie abgestellt und dann vergessen – trotzdem macht es Spaß, sich durch das Universum treiben zu lassen.

Die Frage ist, ob der Spaß allein genug ist. „Das Universum stellt Fragen und macht Antworten erlebbar“, verkünden die Veranstalter. Mit einem kritischen Blick auf Wissenschaft & Fortschritt hat das wenig zu tun. Wer die Gebärmutter verlässt, gerät beispielsweise in einen Teil der Ausstellung, die sich mit dem genetischen Code des Menschen beschäftigt. Zentnerweise Telefonbücher versinnbildlichen, wieviel an Information eine menschliche Zelle trägt. Die – hochaktuellen – Fragen nach den Risiken der Gentechnik werden nur en passant angesprochen.

„Das gehört zum Konzept“, sagt Prof. Gerold Wefer von der Universität Bremen. „Kritische Fragen“ würden auf spezielle Diskussions-Veranstaltungen „verlagert“. Der Wal soll zuerst einmal faszinieren. Fraglich ist auch, wie viele der etwa 200 Exponate und Stationen tatsächlich etwas mit aktuellen Aktivitäten der Bremer Forscher zu tun haben. Der geplante zehnjährige Erneuerungs-Turnus erscheint vor diesem Hintergrund viel zu lang. Also doch Oberstufen-Unterricht im neuen Gewand, wie ein Journalist vermutete?

Der Stein. In der „Galerie der Ängste“ können sich Kritiker der Ausstellung einer grausamen Prüfung unterziehen: Sie legen sich unter einen 1000-Kilo-Granitbrocken, der an zwei Drahseilen von der Decke hängt. Eine sonore Stimme sagt Dinge wie „Können Sie diese Masse fühlen? Sensoren messen Hautwiderstand und Herzschlag des Probanden. Es wirkt. hase

Öffnungszeiten: 10 bis 19 Uhr, Mittwochs 10 bis 21 Uhr. Ab heute ist der Wal an der Wiener Straße für die Öffentlichkeit zugänglich.