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Alle Macht der soziokulturellen Selbstverwaltung!

■ Auch Niedersachsen hat einen Teil seiner Kulturverwaltung privatisiert. Im Gegensatz zu Bremens Plänen mit der kmb wurde dort aber keine Controllinggesellschaft inthronisiert. Stattdessen verwaltet die Soziokultur nun ihre Angelegenheiten in Eigenregie

Was Bremen noch schaffen will, ist in Niedersachsen seit 1997 schon Realität: Das Land hat mit der Landesarbeitsgemeinschaft Soziokultur Niedersachsen (LAGS) eine private Gesellschaft beliehen und ihr so Aufgaben übertragen, für die bis dahin die Kulturverwaltung zuständig war. Im Gegensatz zu Bremen aber wurde in Niedersachsen nicht gleich die ganze Kulturverwaltung in Frage gestellt. Und beliehen wurde nicht, wie in Bremen geplant, eine Controllingfirma, sondern eine Interessenvertretung der Kulturszene selbst.

Schon vor ihrer Beleihung hatte sich die Ende der 1980er Jahre als Lobbyverein für die Soziokultur gegründete LAGS kulturpolitisch engagiert, verteilte in Eigenregie Zuschüsse an örtliche Projektträger und schlug dem Kulturministerium vor, wo etwa Geld sinnvoll in Umbauten investiert werden könnte. Irgendwann war klar: Die LAGS kann die Szene besser beurteilen als die Verwaltung selbst. Bei Gerd Dallmann fragten wir nach, welche Erfahrungen er als Geschäftsführer eines beliehenen Kulturunternehmens gesammelt hat. Der 1953 geborene studierte Soziologe ist seit 1988 LAGS-Geschäftsführer.

taz: Kam die Idee zur Beleihung der LAGS aus den eigenen Reihen?

Gerd Dallmann: An eine Beleihung haben wir zunächst gar nicht gedacht. Wir haben mit den Jahren halt immer mehr Funktionen in der Betreuung der soziokulturellen Szene übernommen. Weil wir damals aber noch nicht beliehen waren, musste die Bezirksregierung weiterhin die Förderung von Investitionen haushaltsrechtlich abwickeln, während wir Projektmittel im Rahmen unserer institutionellen Förderung erhielten und über Kooperationsverträge an örtliche Träger weitergaben. Gegen diese Praxis haben Finanzministerium und Landesrechnungshof Bedenken geäußert, so dass dann auch die Übertragung der haushaltsrechtlichen Arbeit an die LAGS im Raum stand.

Gab es Widerstand gegen die Beleihung von Seiten der Verwaltung, der dadurch ja Kompetenzen entzogen worden sind?

Nein, denn die für Kulturförderung zuständigen Dezernate in den vier Bezirksregierungen haben ein weit gefächertes Zuständigkeitsgebiet von Theatern bis Denkmalpflege. Und denen wurde eben nur dieser Teilbereich der Soziokultur genommen. Die aktuelle Bremer Situation, wo eine weitgehende Privatisierung der gesamten Kulturverwaltung diskutiert wird, haben wir in Niedersachsen nie gehabt. In Kreisen der LAGS gab es schon die Sorge, dass wir uns zerstreiten könnten, wenn wir die ganze Verantwortung für die Soziokultur übernehmen. Früher ließ sich ja immer auf die böse Verwaltung schimpfen. Nun ist es so, dass wir es aushalten müssen, wenn LAGS-Mitglieder unzufrieden sind mit uns. Und ich muss jetzt Ablehnungsbescheide an Leute verschicken, die mir bei der nächsten LAGS-Mitgliederversammlung wieder gegenüber sitzen. Die überraschendste Erfahrung ist aber, dass diese Konstellationen wenig konfliktträchtig sind. Letztlich überwiegt der Eindruck, dass die LAGS so transparent ist, dass alle Entscheidungen nachvollziehbar sind.

Vom Lobbyisten sind Sie als beliehenes Unternehmen aber nun Teil des Systems geworden. Was machen Sie, wenn die Politik Ihren Etat kürzt? Kürzt die Soziokultur dann bei der Soziokultur?

Zunächst hat sich unsere Situation durch die Beleihung deutlich verbessert. Wir haben langfristige Etatzusagen und gestalten das soziokulturelle Feld nun in Eigenregie. Zugleich haben wir jetzt viel bessere Kontakte in Politik und Verwaltung, können also früh Einfluss nehmen auf Prozesse, die uns betreffen. Aber natürlich, wenn unser Etat gekürzt wird, müssen wir das umsetzen. Aber nur weil wir beliehen sind, heißt das nicht, dass wir gegen eine solche Kürzung plötzlich nicht mehr lautstark protestieren würden.

In Bremen wird mit Blick auf die mögliche Beleihung der kmb die Befürchtung laut, eine privatisierte Verwaltung sei politisch nicht mehr effektiv zu kontrollieren. Wer kontrolliert die LAGS?

Als fördermittelverwaltende Institution sind wir der Bezirksregierung Hannover untergeordnet, die eine Form von beratender Kontrolle ausübt, das heißt, sie prüft, inwieweit wir die Verwaltungsvorschriften einhalten und sie prüft unseren Haushaltsabschluss. Daneben arbeiten wir eng mit dem Kulturministerium zusammen, das über seinen ständigen Sitz im LAGS-Beirat immer über unsere Arbeit informiert ist.

Kontrolliert das Parlament, nach welchen inhaltlichen Kriterien die LAGS Anträge annimmt oder ablehnt?

Das Parlament hat die Hoheit über den Haushalt und beeinflusst schon dadurch wesentlich die Bedingungen unserer Arbeit. Die Politik könnte ihren Einfluss noch stärker ausüben, indem sie über das Ministerium an der Formulierung der Förderrichtlinie und damit der Ziele der Förderung mitwirkt. Diese Richtlinie ist für uns bindend, allerdings recht offen gehalten. Wir haben in Kooperation mit einer Unternehmensberatung zudem ein Konzept für die eigene Erfolgskontrolle entworfen. Die Resultate dieser Selbstevaluation legen wir regelmäßig dem Ministerium und den Landtagsfraktionen vor. In bezug auf Einzelentscheidungen hält sich die Politik aber erfreulicherweise zurück, obwohl dies mit Blick auf den eigenen Wahlkreis sicher eine Verlockung ist. Bei den inhaltlichen Zielvorgaben, etwa bei den Fragen, ob verstärkt im ländlichen Bereich gefördert werden soll und ob etwa Projekte mit Ausländern besonders förderungswürdig sind, befinden wir uns noch am Anfang der kulturpolitischen Diskussion mit der Politik.

Sind Sie als Geschäftsführer gegenüber den Parlamentariern bezüglich aller LAGS-Interna rechenschaftspflichtig?

Das hat so detailliert bislang noch kein Politiker gefordert. Ich hätte damit aber keine Probleme. Aber wir veröffentlichen gemeinsam mit dem Kulturministerium alle Förderentscheidungen, so dass klar ist, wo wieviel Geld wieso hinfließt. Der Rechnungshof kontrolliert uns auch und legt seine Berichte anschließend dem Parlament vor.

In Bremen kursiert die Sorge, dass ein beliehenes Unternehmen ein Eigenleben entwickelt und Entscheidungen forciert, die mehr im Interesse der Geschäftsführung als in dem der Einrichtungen sein könnten. Ist das Ihrer Ansicht nach eine reale Gefahr?

Wir haben eine Geschäftsordnung, die auch nicht so einfach und nur mit Zustimmung des Landes verändert werden kann. Die Geschäftsordnung regelt, dass nicht ich, sondern der Beirat über die Anträge entscheidet. Im Beirat sitzen drei Personen, die auf der Mitgliederversammlung der LAGS gewählt werden, zwei VertreterInnen aus benachbarten Kulturbereichen und ein Vertreter des Ministeriums. Das sichert, dass Entscheidungen sachlich zustande kommen.

Wieviel Geld verwalten Sie?

4,1 Millionen Mark stehen jährlich für Soziokultur im Landesetat zur Verfügung. Davon müssen allerdings auch die fünf Stellen der LAGS finanziert werden, so dass 700.000 Mark davon abgehen. Von dieser Summe finanzieren wir aber auch Fortbildungen und Beratungen für unsere 48 Mitgliedsvereine. Für die Verwaltung der Fördermittel im engen Sinne benötigen wir nur 300.000 Mark.

Ist die Bürokratie billiger als zu Zeiten der Bezirksregierung?

Das kann ich nicht sagen, weil die Bezirksregierungen im Gegensatz zu uns nicht mit Kennzahlen arbeitet, die ausweisen, wie teuer etwa die Bearbeitung eines Antrages im Vergleich ist.

Sie arbeiten nach jenen neuen betriebswirtschaftlichen Verwaltungs- und Controllingrichtlinien, die in Bremen von der kmb jetzt etabliert werden sollen. Arbeiten sie nun effektiver und besser als zu jener Zeit, als das kameralistische Verwaltungshandeln noch Maß der Dinge war?

Das kann ich noch nicht abschließend sagen. Es ist aber ganz heilsam zu wissen, was etwa eine Beratung eines Antragsstellers im Durchschnitt eigentlich kostet. Wir arbeiten aber erst so kurze Zeit mit diesen Methoden, dass wir noch keinen Vergleich anstellen können zur Arbeit, wie wir sie früher gemacht haben. Ein Fortschritt ist in jedem Fall, dass die Erfolgskontrolle sich heute nicht wie früher darauf beschränkt, zu prüfen, ob das Geld so ausgegeben wurde, wie es kalkuliert war. Wir fragen jetzt stärker, ob die Ziele, die sich die Projektträger gesetzt haben, auch erreicht worden sind.

Ist eine solche Kontrolle mit quantifizierenden Methoden denn möglich?

Häufig ja. Man muss sich nur fragen, anhand welcher quantifizierbaren Kriterien man das misst. Da befinden wir uns mit den Einrichtungen noch in einer experimentellen Phase. Wenn ein Projekt, was die Regel ist, selber formuliert, wen oder wie viele es mit seinem Angebot erreichen will oder dass am Ende der Maßnahme eine Aufführung stehen soll, dann ist einfach zu prüfen, ob das auch erreicht worden ist. Das sind einfache Kriterien, die aber durchaus etwas aussagen über Erfolg oder Misserfolg. Ästhetische Qualitäten sind auf diese Weise aber nicht zu bewerten, und auch der quantitativen Analyse sind Grenzen gesetzt, weil eine detaillierte Erfolgskontrolle bei kleineren Projekten unangemessen teuer wäre. In solchen Fällen erkennen wir als Erfolgskontrolle die Aussage der Einrichtung an, ob und wieso sie letztlich mit dem zufrieden ist, was sie erreicht hat. Fragen: zott

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