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The Independents of Oldenburg

■ Das Filmfest in Oldenburg musste diesmal kleinere Brötchen backen. Die waren aber auch lecker. Nur Herr Bürgermeister Jürgen Poeschel (CDU) vermieste den Appetit

Das Filmfest begann mit einem Eklat: Bei der feierlichen Eröffnungsveranstaltung im Wall Kino Center wusste sich der Oberbürgermeister Jürgen Poeschel (CDU) nicht zu benehmen, und so geriet ihm seine Begrüßungsrede zu einer Gardinenpredigt an die Festivalorganisatoren. Es gäbe in Oldenburg auch sonst viel schöne Kultur, das Filmfest wäre zwar ganz nett, aber wenn die Organisatoren nicht mit den kargen Zuschüssen zufrieden wären, sollten sie doch in Berlin ein Festival machen. Da bekam man aus erster Hand einen Eindruck davon, mit welch widrigen Umständen Torsten Neumann und sein Team zu kämpfen haben, um in der norddeutschen Provinz ein weltoffenes Filmfest zu organisieren.

In diesem Jahr war weniger Geld da, und das merkte man auch. Es gab weniger Gäste, weniger Vorführungen (wenn Filme ausfielen, blieben an ihren Spielzeiten einfach die Leinwände dunkel), und insgesamt war weniger Rummel auf den Straßen von Oldenburg. Aber die Atmosphäre war nicht verdorben, und auch die Qualität der gezeigten Filme wurde durch den Sparzwang nicht in Mitleidenschaft gezogen.

Und die Kinosäle waren so voll wie selten vorher. Inzwischen haben die jungen Oldenburger Kinogänger kapiert, dass es hier junge, freche und ungewöhnliche Filme zu entdecken gibt, die man nie im normalen Kinoprogramm oder dem Fernsehen wiedersehen wird. Die guten Kontakte der Organisatoren zu unabhängigen Filmemachern in den USA sind eindeutig der Hauptgrund dafür, dass Oldenburg auch diesmal wieder eine Reise wert war.

Der Filmemacher John Gallagher kommt etwa schon zum fünften Mal zum Filmfest. Diesmal präsentierte er mit „Blue Moon“ eine nette romantische Komödie im Stil von Frank Capra, die für Oldenburg eigentlich schon zu konservativ war. Aber Gallagher hat auch die Programmmacher beraten, und so ist die Retrospektive von Filmen des Hollywood-Klassikers William Wellman auf seine Anregung hin zusammengestellt worden. Der Schauspieler Mathew Modine ist ein weiterer Freund und Förderer von Oldenburg, und durch seine Vermittlung bekam Oldenburg mit seinem jüngsten Film, der makaberen Mafia-Komödie „Very Mean Man“ einen der unterhaltsamsten Filme des Festivals.

Während die Wellman-Filme doch eher etwas Spezielles für his-torisch interessierte Cineasten waren, gab die zweite Werkshow einen interessanten Einblick in die Mechanismen des US-Filmgeschäfts. Mit Stacy Cochran wurde eine noch recht junge Filmemacherin vorgestellt, die (neben dem deutschen Regisseur Lars Becker) schnell zum Lieblingsgast des Festivals wurde. „Ick bin sehr froh, in Oldenbourgh zu zein“ war ihr einziger Satz in Deutsch, der sich zum running gag bei ihren Auftritten mauserte, weil sie ihn jedes Mal wieder unbedingt anbringen wollte. Aber sie erzählte auch sehr offen über ihre Filme und die Schwierigkeiten, sie in Hollywood durchzusetzen.

Nach ihrem erfolgreichen Debütfilm „My New Gun“ wurde sie von einem großen Studio engagiert, mit dem sie „Boys“ inszenierte, eine verzweigte Kleinstadt- und Schulgeschichte mit Winona Ryder und Lukas Haas. Das Studio war mit dem Film nicht zufrieden, so dass die Regisseurin ihn fast zwei Jahre lang immer wieder umschneiden musste. Hier in Oldenburg traute sie sich, ihn überhaupt zum ersten Mal im Stück anzusehen, und bei der Diskussion erzählte sie etwas traurig davon, was alles fehlen würde.

Nach dieser Niederlage machte sie zuerst einen Dokumentarfilm über Richard Lester, und erst in diesem Jahr mit „Drop Back Ten“ wieder einen Film, der die gleiche Intensität, Ambivalenz bei den Figuren und Unberechenbarkeit hat wie ihr Debüt. Diese Entwicklung konnte man beim „Tribute to Stacy Cochran“ wunderbar beobachten, und für solche Kinoerfahrungen lohnte sich der Weg nach Oldenburg.

Man vergab den Organisatoren sogar solche Nieten wie den deutschen Film „Der Runner“ (sic!), eine extrem triviale Fernsehproduktion von Pro 7, denn mit „Vergiss Amerika“ wurde man wenig später wieder mit dem deutschen Film versöhnt. Dieser Film von Vanessa Jopp könnte auch „Jules und Jim in Neu-Brandenburg“ heißen: Er ist eine romantische Dreiecksgeschichte, die ganz unangestrengt und nebenbei ein schön beobachtetes Porträt von Jugendlichen in den neuen Bundesländern zeigt.

Auch hier waren die Kinoreihen voll. Es fehlt also nicht an Unterstützung von Seiten der Oldenburger für ihr Filmfest, aber der Ausbruch des Oberbürgermeisters gab eine Ahnung davon, dass es noch längst nicht entschieden ist, ob im nächsten Jahr das „8. Internationale Filmfest Oldenburg“ stattfinden wird. Wilfried Hippen

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