: Wind aus Seelenritzen
Hartmut Engler ist Sänger der Gefühlsgruppe PUR, und alle lieben ihn – fast alle
Hartmut Engler ist ein sehr erfolgreicher Mann, und obwohl er nicht gerade gut aussieht, liegen ihm bestimmte Frauen gern zu Füßen. Doch der Erfolg bringt selbstverständlich auch negative Seiten mit sich. Weil Hartmut Engler trotz all des Remmidemmis um ihn herum bleiben will, wie er ist, hat er sich ein paar Leibwächter angeschafft. Der „Head of Security“ zum Beispiel heißt Peter, ist bei Engler fest angestellt – mit Sozialversicherungsnummer, auf Steuerkarte und so weiter. Und dann gibt es noch zwei Jungs. Unter anderem den Jörg. Auf den Jörg ist der Hartmut besonders stolz. Der Jörg kann nämlich nicht nur aufpassen und Autogrammkarten verteilen, nein: „Der ist auch in der Lage, mir ein Bier zu holen.“
Das ist schön. Noch schöner ist, wenn man den Erfolg mit anderen Menschen teilt. Deshalb reist Hartmut Engler mit seiner Gruppe PUR über das Land, damit alle etwas von ihm haben. In sechs Städten machen sie überraschungshalber Halt und spielen dann drei, vier Songs live vor dem staunenden Publikum, das, was nun wirklich total fair ist, für das Getöse nicht mal was bezahlen muss. In Berlin sind immerhin 500 Menschen im Europa-Center stehen geblieben, um den aktuellen Auswürfen von PUR beizuwohnen. Zwanzig von ihnen werden dann als „Gewinner des Tages“ gestempelt, und dürfen einige Stunden später zu einem intimen Konzert von „Deutschlands erfolgreichster deutschsprachiger Band“ wieder auflaufen.
Im „Soda Club“ in Berlins Prenzlauer Berg fallen die zwanzig Fans aber gar nicht weiter auf. Denn die dort anwesenden Handelsvertreter der verantwortlichen Plattenfirma Emi Electrola sehen selbst aus, als wolle sonst niemand mit ihnen spielen. Bevor das Konzert losgeht, gibt es Sekt und Häppchen, und dann, auf der Bühne, hat sich die Band für ihren Tonmann noch eine besondere Überraschung ausgedacht. Zur Geburt seines ersten Kindes bekommt er einen Gutschein überreicht, damit er sich Wein kaufen kann im Wert von 300 DM. Pech ist, dass dem Tonmann Englers Talent fehlt, das Ereignis zu vertonen und betexten, und mit dem Produkt Millionen deutscher Hausfrauen die Kohle aus dem Kittel zu ziehen. Glück hingegen, dass er einen Chef wie Engler hat, der weiß, wie herrlich befriedigend es sein kann, den Erfolg zu teilen.
Das Konzert selbst ist ein voller Erfolg. Die Handelsvertreter seufzen, denn sie wissen genau, wie es ist, „wenn der alltägliche Wind durch die Seelenritzen pfeift, wenn die Lust am Spaß sich gänzlich versteckt“; die weiblichen Handelsvertreter fühlen endlich verstanden, wie toll es ist, eine Frau mit einem richtigen Kerl zu sein. Wie singt der Hartmut so schön: „Sie fühlt sich im Himmel, sie fühlt ihn im Schoß.“ Besser geht es kaum. Auch „Hitparaden“-Moderator Uwe Hübner findet den Auftritt gelungen: „Wen ich an PUR denke, denke ich an Heimat. Das ist immer so was von heimatlichen Gefühlen, da kann man nix falsch machen.“
Hartmut Engler bereitet offenbar gern Überraschungen. Und darum legt nach dem Konzert sein Kumpel und Anwalt Helge Sasse alias DJ Hell.Gee auf. Sasse und Engler sind erst kürzlich durch einen weiteren gemeinsamen Erfolg noch enger zusammengeschweißt worden, als man nämlich gemeinsam den Schriftsteller Benjamin von Stuckrad-Barre erlegte, der mitgeschrieben hatte, was Frau Engler beim Frühstück so über ihren Gatten erzählt. Zum Beispiel: „Die verlieben sich in diesen jungen Schnösel, der ein paar mal im Fernsehen war – aber der liegt abends genauso auf der Couch und will sein Essen. Ich meine, der hat jetzt nicht so die Ansprüche, dann kriegt er eben auch mal ’ne Pizza von Bofrost . . .“ So was wirft selbstverständlich kein gutes Licht auf den Traumboy. Aber DJ Hell.Gee ist ein erfahrener Staranwalt, und darum hat er Stuckrad-Barre kurzerhand eine Unterlassungsklage aufs Auge gedrückt, denn was der Hartmut privat macht, geht schließlich keinen was an. „Der sagt kein Wort mehr!“, jubelt DJ Hell.Gee. „Moment, ich muss schnell eine Blende machen.“ Auch Hartmut Engler ist es zufrieden. „Ich bin zufrieden, weil ich gewonnen habe.“ Leibwächter Jörg, „der steht mir immer zur Verfügung“, holt seinem Boss schnell noch ein Bier.
Klar, dass es bei so viel Erfolg auch mal Neider gibt. Wie man mit denen umgehen sollte, hat Hartmut Engler längst kapiert. „Wenn man alle Leute, die einen nerven, in einen Bus setzen könnte und nach Sibirien schicken, dann könnte man endlich mal so richtig Party feiern. Und das wären dann fast märchenhafte Bedingungen.“ Gute Fahrt.
SUSANNE FRÖMEL
Hinweis:Bei so viel Erfolg gibt es auch Neider. Wie man mit denen umgehen sollte, hat Engler kapiert
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