Die Briten kloppen sich um jeden Tropfen Sprit

Auch im Vereinigten Königreich ist das Benzin knapp geworden. An einer Tankstelle in Southampton gab es jetzt die erste Massenschlägerei

DUBLIN taz ■ Die Briten sind auf der Jagd nach Benzin. Hunderte von Tankstellen mussten seit Sonntag schließen, weil sie keinen Sprit mehr haben, nachdem Spediteure, Bauern und Taxifahrer zahlreiche Raffinerien und Kraftstofflager blockiert haben. Dort, wo es noch Benzin gab, kam es gestern zu kilometerlangen Schlangen, in Southampton brach eine Massenschlägerei aus, weil sich mehrere Autofahrer vordrängeln wollten.

Wegen der Panikkäufe verkauften die Tankstellen am Wochenende so viel Benzin wie sonst in einer Woche. Doch der Nachschub bleibt aus. Vorige Woche blockierten Lastwagen und Traktoren zunächst Shells Stanlow-Raffinerie in Cheshire, wodurch die meisten Tankstellen in Nord-Wales trockengelegt wurden. Gestern luden Bauern 16 Tonnen Stroh vor dem Haupttor der Raffinerie ab. Ein Sprecher des Bauernverbandes sagte, das sei die Antwort auf die Drohung der Shell-Geschäftsführung, 60 Fahrer fristlos zu entlassen, falls sie ihren Streik nicht unverzüglich einstellten. Shell bestreitet das.

Am Sonntag wurden das Conoco-Öldepot und mehrere kleinere Depots im nordenglischen Immingham blockiert. Auch das größte Binnendepot in Kingsbury in den Midlands ist geschlossen, ebenso wie die Raffinerien in Bristol, Manchester, Cardiff. Seit gestern ist auch Südengland von den Aktionen betroffen. Hinzu kommen „rollende Blockaden“ durch langsam fahrende Lastwagen, die am Wochenende Staus auf der A1 in Northumberland und der A55 in Wales verursachten. Die Protestaktionen sollen in den nächsten Tagen ausgeweitet werden.

Die Blockierer fordern von der Regierung, die Kraftstoffsteuer um 20 Prozent zu senken. Die Bevölkerung ist auf ihrer Seite: Bei einer Umfrage sprachen sich 97 Prozent der Befragten für eine Steuersenkung aus. Der Verband der britischen Industrie unterstützt die Forderung ebenfalls. Generaldirektor Digby Jones sagte: „Der Staat hat seit März eine Milliarde Pfund zusätzlich an Mehrwertsteuer eingenommen, nur weil der Ölpreis gestiegen ist. Die Regierung kann der Industrie dieses Geld zurückgeben, ohne ihren Haushaltsplan zu beeinflussen.“

Premierminister Tony Blair lehnte das gestern ab. „Wir können und wollen unsere Regierungspolitik nicht aufgrund von Blockaden ändern“, sagte er. Die Regierung sei die falsche Adresse, fügte er hinzu: „Man muss Druck auf die Opec ausüben.“

Der Verband der Tankstellenbesitzer gab bekannt, dass die Benzinknappheit trotz der Tumulte noch kein kritisches Ausmaß angenommen habe. Roy Holloway, der Direktor des Verbands, warnte jedoch: „Wenn die Aktionen ein paar Tage andauern, stecken wir in ernsten Schwierigkeiten.“

Schottland-Minister John Reid hält eine Steuersenkung für ökonomischen Unfug. Er erwartet nicht, dass die Proteste französische Ausmaße annehmen werden. „Die Briten reagieren auf Krisen nicht auf die französische Art, die erhebliche Unannehmlichkeiten für die Mitbürger verursacht.“

Die Tories teilen diesen Optimismus nicht. Transport-Experte Archie Norman prophezeite, dass die Protestaktionen zunehmen werden. „Sie spiegeln ehrliche und weit verbreitete Wut über die Folgen von Steuererhöhungen wider“, sagte er.

Roy Masterson, Sprecher der Spediteure, glaubt, dass Britannien in Europa nicht mehr wettbewerbsfähig bleibe, wenn die Transportkosten höher liegen als in allen anderen Ländern der Welt. Man werde nicht einlenken, solange es keine Steuersenkung gebe. Lediglich die Benzinlieferungen für Krankenwagen und Feuerwehr sollen durchgelassen werden. Phillip Rees, Sprecher der Lastwagenfahrer, sagte: „Zuerst müssen sie uns die Frachtbriefe zeigen, und wir schicken den Tanklastzügen einen Lkw zur Kontrolle hinterher.“ RALF SOTSCHECK