: Das Update
Der Rapper Torch stellt heute im Mojo seine Soloplatte und die eigene Geschichte vor ■ Von Eberhard Spohd
Erinnert sich noch jemand, wie das alles begann in Deutschland? Als 1979 die erste Platte veröffentlicht wurde, auf der Raps in deutscher Sprache zu hören waren? Manfred Sexauer, Frank Laufenberg und Thomas Gottschalk, drei gestandene Radio-Moderatoren, nahmen „Rapper's deutsch“ auf, eine gruselige Cover-Version der ersten, auch in Europa erfolgreichen HipHop-Scheibe „Rapper's Delight“ von der Sugarhill Gang. Damit war Rap erst einmal verbrannt. Auch die nachfolgenden Aufnahmen wie der „Alpenrap“ der Ersten Allgemeinen Verunsicherung oder Falcos „Kommissar“ gaben niemals das wieder, was HipHop in seiner Heimat Amerika ausmachte.
Nur ein kleiner Kreis Adoleszierender kannte die Stücke vom Rapping Duke, Blowfly oder T. Ski Valley und später die ersten sozialkritischen Aufnahmen von Stars wie Gary Byrd, den Community People oder Grandmaster Flash and the furious Five. Zu ihnen gehörte der Heidelberger Torch. „Obwohl ich kein einziges Wort verstehen konnte, erkannte ich, welches Feuer in ihren Worten brannte. Die Fackel wurde in mir entfacht“, spricht er in „Kapitel 1“, dem Klassiker, der die Identitätsstiftung im deutschsprachigen HipHop vorantrieb wie nur ganz wenige andere. Folgerichtig beginnt Blauer Samt, seine erste Soloplatte, die Ende September veröffentlicht wird, mit „Kapitel 29“, in dem der 29-Jährige daran erinnert, wie damals alles begann. Er widmet diesen Track seinem guten Freund Frederick Hahn, wo immer er sei. Frederick Hahn ist Torchs bürgerlicher Name. „Kapitel 29“ und eigentlich das ganze Album ist das Update seines Lebens. Das wird spürbar, wenn er Melle Mel in einem Skit zwischen zwei Titeln davon erzählen lässt, dass jeder in New York ihn kenne. Torch kennt die Tradition des HipHop seit den Anfangszeiten, und er weiß genau, dass er deren Teil ist, zumindest in Deutschland.
Dazu gehört zum Beispiel auch, dass der Godfather of HipHop, Afrika Bambaataa, Torch bereits 1985 zum ersten Zulu-Nation-Chapter Deutschlands krönte. Sich stets der Wurzeln bewusst zu sein und das persönliche Statement als politische Aussage zu verstehen, zeichnete und zeichnet noch heute den Heidelberger aus. Das Geschäft begreifen – Torch gründete schon früh mit 360ø Records ein eigenes Label – und dennoch gegen den Ausverkauf anzukämpfen, war entscheidend für die Reifung und Entwicklung von HipHop in Deutschland. „Wer nur die Anziehungskraft der gesamten Kultur ausnutzt, um ein rein kommerzielles Musikprodukt an die breite Masse zu verkaufen, ohne irgendetwas in die Szene zurückfließen zu lassen, betreibt Sellout“, schrieben Advanced Chemistry in den Liner Notes ihrer EP Welcher Pfad führt zur Geschichte.
Mit dieser Frage setzten sie auch einen Diskussionprozess in Gang, der später vom Freundeskreis in dem Stück „Leg dein Ohr auf die Schiene der Geschichte“ weitergeführt und von der Berliner Wahren Schule mit dem Statement „Ich bin der Zug, leg' du dein Ohr nur auf die Schiene“ gekontert wurde. Musik als Mittel zu verwenden, um politische Inhalte zu vermitteln: Nur wenige deutsche HipHop-Acts haben dies so konsequent verfolgt wie AC. Maxis wie Fremd im eigenen Land und Stücke wie „Operation Artikel 3“ griffen die Fremdenfeindlichkeit an, unter der gerade der Schwarze Linguist, der italienischstämmige Toni L und auch Torch zu leiden hatten und haben.
Heute verfolgt Torch diesen Weg alleine weiter. Er setzt die eigene Geschichte, die persönliche Erfahrung um in Texte, die Subjektives benennen, aber Allgemeines meinen. Wenn er über seine Kollegen rappt, seine erste und seine letzte Liebe, über Geld und Korrumpierbarkeit, dann zeigt er Gefühle, wird aber nur in seltenen Momenten peinlich. Er reflektiert sein Leben, modelliert aber gleichzeitig das Bild einer ganzen musikalischen Generation. Nicht umsonst zollen so viele deutsche Rapper ihrem Vorvater Tribut. Kein anderer deutscher Rapper taucht so häufig in den Cuts anderer HipHopper auf.
Torch hat den HipHop in Deutschland miterfunden, jetzt hilft er ihm, eine neue Stufe zu erklimmen. Unschwer zu erraten, dass etliche jüngere Kollegen ihn ob seiner persönlichen Art dissen werden. Das sollte ihn aber nicht kratzen. Im Gegenteil: Wenn er es schafft, dass das Private auch im Rap endlich wieder politisch wird, hat er sein Ziel erreicht. Und dass er jetzt endlich auch ein Stück von dem Kuchen bekommt, den er selbst einstmals gebacken hat, ist nur korrekt.
heute, 21 Uhr, Mojo
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