: Senat verschenkt ABM-Millionen
Knapp 80 Millionen Mark für Arbeitsförderung werden in diesem Jahr möglicherweise nicht ausgeschöpft. Entwurf für Haushalt 2001 sieht ABM-Kürzung um ein Drittel vor
Die Senatsverwaltung für Arbeit wird möglicherweise im laufenden Haushaltsjahr Mittel für die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) in Höhe von 78,9 Millionen Mark nicht ausschöpfen. Das geht aus einem Bericht der Senatsinnenverwaltung an den heute tagenden Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses hervor, der der taz vorliegt. „Diese Unterschreitung soll zur Auflösung der an zentraler Stelle veranschlagten pauschalen Minderausgaben verwandt werden“, heißt es weiter in der Vorlage des für den Landeshaushalt zuständigen Ausschusses.
„Das ist ein sozialpolitischer Skandal“, kritisierte gestern die Grünen-Fraktionsvorsitzende Sibyll Klotz. Bei den nicht abgerufenen ABM-Stellen handele es sich um so genannte Landes-ABM. Das sind Maßnahmen, die nicht in der Verantwortung von freien Trägern, sondern direkt von den Landesbehörden durchgeführt werden.
Dabei handelt es sich nach Klotz’ Angaben offensichtlich zum Teil um einen fiktiven Haushalt. Der Trick: Die nicht ausgegebenen ABM-Mittel werden mit einzusparenden Personalkosten verrechnet. Im Klartext: Was bei ABM nicht ausgegeben wird, muss an anderer Stelle nicht gespart werden. Ärgerlich sei, dass somit für Berlin ABM-Mittel der Bundesanstalt für Arbeit verloren gingen. Ein Sprecher der Innenverwaltung konnte gestern dazu keine Angaben machen. Die Vorlage müsse zunächst im Hauptausschuss beraten werden, so der Behördensprecher.
Die in der Vorlage genannten Zahlen könnten so nicht bestätigt werden, sagte gestern ein Sprecher der Arbeitsverwaltung. Nicht nachvollziehbar sei, worauf sie sich bezögen. Fakt sei, dass in diesem Jahr 56,5 Millionen Mark für Landes-ABM ausgegeben würden. Damit würden mehr als 4.000 Menschen gefördert, so der Sprecher.
In der Vorlage an den Hauptausschuss wird ein weiterer Vorwurf an die Arbeitsverwaltung erhoben. Es ergebe sich „ein Minderbedarf in Höhe von 23 Millionen Mark, da Mittel des europäischen Sozialfonds zur Umgestaltung der Arbeitsmarkt- und Berufspolitik aufgrund des Programmablaufes nicht voll ausgeschöpft werden“. Diese EU-Mittel könnten zwar nicht mehr in diesem Jahr abgerufen werden, so der Sprecher der Arbeitsverwaltung. Sie flössen aber im kommenden Jahr in die Haupstadt. Bis dahin sei eine Zwischenfinanzierung durch Landesmittel geplant. Allerdings sei diese Zwischenfinanzierung noch nicht gesichert, räumte er ein.
Im kommenden Jahr müssen sich die Berliner ohnhin auf deutliche Kürzungen im Arbeitshaushalt gefasst machen. Laut Hauhaltsentwurf werden rund ein Drittel weniger Landesmittel für die Arbeitsmarkt- und Ausbildungspolitik zur Verfügung stehen. Ziel sei es dennoch, die vorhandenen Mittel möglichst effektiv einzusetzen, so der Sprecher der Arbeitsverwaltung. Die Grünen-Arbeitsmarktexpertin Sibyll Klotz: „Der Glaube, man könne mit rund 30 Prozent weniger Mittel dieselbe Zahl an Förderfällen bei steigender Qualität realisieren, ist ein Irrglaube und wider besseren Wissens.“
RICHARD ROTHER
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