: Großreinemachen in schwedischen Läden
Zahnpasten, Deodorants oder Antipickel-Pflaster: Handelsketten nehmen Produkte aus dem Regal, die den Bakterienkiller Triclosan enthalten
aus Stockholm REINHARD WOLFF
Antibakterielle Mittel sollen im Laufe des Herbstes aus Schwedens Supermarktregalen verschwinden. Dies gaben in dieser Woche Sprecher der beiden Handelsketten Konsum (KF) und ICA bekannt. Kerstin Lindvall, Qualitäts- und Umweltverantwortliche der ICA-Zentrale: „Die Vermarktung dieser Produkte ist irreführend und nutzt die Unwissenheit der Konsumenten aus.“ KF und ICA stehen zusammen für über zwei Drittel des Umsatzes des Lebensmitteleinzelhandels in Schweden.
Es geht um das antibakterielle Mittel Triclosan. Triclosan gehört zur chemischen Familie der Chlorfenole und unterschiedet sich nur in einem Sauerstoffatom von den verbotenen Umweltgiften DDT und PCB. Es ist sehr beständig, lagert sich im Körper ab, kann sich in Dioxine umwandeln und ist zumindest für im Wasser lebende Organismen sehr giftig. Neueste Forschungsergebnisse beschreiben den Wirkstoff als Verursacher von allergischen Reaktionen und Schäden des zentralen Nervensystems. Zudem haben die Forscher auch Hinweise auf eine Bakterienresistenz festgestellt.
Die Wirkung anderer antibakterieller Mittel, die sich von Seifen über Putzschwämme bis zu Spielsachen und Sportkleidung in einer Vielzahl von Produkten des Alltagsgebrauchs befinden, ist noch weniger erforscht als die des jetzt ins Zwielicht geratenen Triclosan. Bereits im Frühjahr hatten deshalb die schwedischen Konsum-Läden ein Großteil ihrer Triclosan-haltigen Produkte aus dem Sortiment genommen. Betroffen waren Pickelpflaster und Deodorants.
Jetzt enthalten lediglich noch einige Zahnpastasorten des aktuellen Kosum-Angebotes Triclosan. Hier habe man, so Åke Natt, Umweltchef bei KF-Konsum, seit Monaten Diskussionen mit den Herstellerfirmen geführt, um eine deutlichere Ausweisung des Triclosan-Anteils zu erreichen. Nachdem diese Gespräche ergebnislos blieben, schreitet der Konsum nun selbst zur Tat: Er kennzeichnet entsprechende Produkte mit deutlichen Hinweisschildern am Regal.
Die Zahnpasta-Produzenten sehen derweil keinen Grund, speziell für den schwedischen Markt Triclosan besonders in der winzigen Inhaltsdeklaration auszuweisen. Ludwig Nauckhoff, Produktchef bei Lever-Fabergé, der die Marke „Pepsondent“ herstellt, hält Triclosan wegen seiner Wirkung gegen Zahnfleischentzündungen und Zahnlockerung in Zahnpasten gar weiterhin für durchaus sinnvoll.
Genau das bezweifelt Barbara Rosengren vom Institut für Haushaltswissenschaft der Universität Göteborg in einer gerade veröffentlichten Forschungsbilanz: Es gebe Untersuchungen, die der Anwendung von Kochsalzlösung den gleichen Effekt beimessen würden. Bleibe das Triclosan in den Zahnpasten, sollten diese als Arzneimittel deklariert werden. Dann dürften derartige Sorten nur noch in Apotheken verkauft werden.
Åke Natt von Konsum stimmt dem zu: Wenn sich die Vorsichtsmaßnahmen nicht in schrumpfenden Verkaufszahlen ausdrückten, werde man die Produkte möglicherweise ganz aus dem Sortiment nehmen. Es sei das „Vorsichtigkeitsprinzip, das den schwedischen Handel jetzt zum Aktivwerden veranlasst“, so Natt. Viele Tests hätten gezeigt, dass die Produkte mit antibakteriellen Zusätzen meist zwar teurer, aber deshalb noch lange nicht wirksamer seien. „Der Bakterienschreck hat idiotische Dimensionen angenommen.“
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen