: Der Rand ist die Mitte
■ Poetisches Spiel der Außenseiter: Compagnia Pippo Delbono auf Kampnagel
Wer außen steht, sieht mehr. Mehr auch als all jene, die sich in ihrer hochgezüchteten Sensibilität noch so sehr bemühen, Scharten ihrer selbst oder der Gesellschaft zu erkennen, in der sie leben. Der Außenseiter spürt auch mehr als alle, die sich noch so sehr bemühen, den Schmerz der Randfiguren zu fühlen: Grenzgänger – „reale“ Außenseiter und solche, die sich aus freier Entscheidung von konventionellen Lebens- und Kommunikationsformen abgewandt haben, bringt der Italiener Pippo Delbono in seiner gleichnamigen Compagnia zusammen, die – wie schon die Compagnie de l'oiseau mouche – im Rahmen der Fachtagung „Weltsichten“ auf Kampnagel gastiert.
Einer der Darsteller, Bobo, ist gehörlos unkd verbrachte etliche Jahrzehnte in der Psychiatrie, wo auch – in Work-shops, die Regisseur Delbono in Aversa veranstaltete –, Barboni entstand – ein Stück über Schmerz, Freude und das Leben an den Grenzen der Gesellschaft.
Theater ist für den gehörlosen Bobo die einzige Möglichkeit für ihn, mit der Gesellschaft zu kom-munizieren und poetische Bilder zu übermitteln, und nicht zufällig hat Delbono als Mitstreiter Menschen gewählt – Behinderte, Obdachlose, Straßenkünstler und Rockmusiker –, die dem „gesellschaftlichen Konsens“, insbesondere bezüglich dessen, was als „normal“ zu gelten hat, auch kritisch gegenüberstünden. Außenseiter zusammenzuführen sei sein Ziel gewesen – auf dass sie, vor aller Augen, eine eigene Welt und eigene Kommunikationsmuster erschüfen, die so stark jenseits unserer Welt zu liegen scheinen, dass man fast glauben könnte, sie lägen in Wahrheit genau mitten drin. Petra Schellen
Freitag, 20.30 Uhr, Kampnagel, Karten unter Tel. 390 94 52 und an der Abendkasse im Foyer der Halle K6.
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