: „Kein Entscheidungsbedarf“
Senat hat trotz Zusicherungen noch keine Vorbereitungen getroffen, ZwangsarbeiterInnen aus der NS-Zeit zu entschädigen ■ Von Elke Spanner
Alles werde er dafür tun, hatte Bürgermeister Ortwin Runde (SPD) vorigen Sommer versprochen, dass ehemalige NS-ZwangsarbeiterInnen baldmöglichst für das erlittene Unrecht finanziell entschädigt werden. „Angemessen“, kündigte der Senat an, würden die öffentlichen Unternehmen der Stadt sich am Entschädigungsfond „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ beteiligen. Ein Jahr später existiert nun diese Bundesstiftung – und der Hamburger Senat scheint nicht im Ansatz darauf vorbereitet, seinen staatlichen Beitrag zu leisten. Laut der Senatsantwort auf eine Anfrage der Regenbogen-Gruppe hat er noch keine Überlegungen angestellt, in welcher Höhe sich die öffentlichen Unternehmen, an denen die Stadt mehrheitlich beteiligt ist, an dem Entschädigungsfond beteiligen werden.
Dass die Zahlung „angemessen“ sein sollte, findet der Senat nach wie vor. Er verweist aber darauf, dass die jeweiligen öffentlichen Unternehmen einzeln ihren Obolus festlegen und diesen von ihren Aufsichtsräten absegnen lassen müssen. Diese Verfahren in den Betrieben, an denen die Stadt mehrheitlich beteiligt ist, seien „noch nicht abgeschlossen“. Nicht mal eine Anregung, was seitens der Politik unter „angemessen“ zu verstehen ist, hat die Regierung den städtischen Unternehmen für deren Beratungen mit auf den Weg gegeben: „Eine allgemein gültige Berechnungsformel existiert nicht“. Nur, dass der Anteil nicht so hoch zu sein braucht wie der, der privatwirtschaftlichen Firmen angeraten wird, scheint schon festzustehen. Denn während Wirtschaftsunternehmen „typischerweise gewinnorientiert arbeiten“, würden bei öffentlichen Betrieben „Kostenbelas-tungen immer auf den öffentlichen Haushalt oder die Gebührenzahler durchschlagen“. Laut den Vorgaben der Bundesstiftung sollen privatwirtschaftliche Firmen ein Promill ihres Jahresumsatzes in den Fond einzahlen.
Der Hamburger Senat hatte sich stets dafür ausgesprochen, auch ZwangsarbeiterInnen finanziell zu entschädigen, die in der Landwirtschaft eingesetzt waren. Unter Verweis auf die damals noch in Gründung befindliche Bundesstiftung hatte der Senat vorigen September beim Arbeitsgericht beantragt, die Klage der polnischen NS-Zwangsarbeiterin Stanislawa R. auszusetzen, die zwischen August 1943 und Mai 1945 auf einem landwirtschaftlichen Gut schuften musste. Die Bundesstiftung indes hat diese NS-Opfer aus dem Kreis der Anspruchsberechtigten ausgegliedert. Das Stiftungsgesetz sieht lediglich vor, dass LandarbeiterInnen „nach Ermessen“ entschädigt werden können, soweit die Organisationen, die die Abwicklung der Entschädigung betreiben, dafür Geld übrig haben. Der Regenbogen begehrte in seiner Anfrage vom Senat zu erfahren, inwieweit er plane, auch damaligen ZwangsarbeiterInnen in der Landwirtschaft eine Finanzhilfe zukommen zu lassen. Der sieht jedoch „für eine gesonderte hamburgische Entschädigungsregelung“ derzeit „keinen Entscheidungsbedarf“.
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