: Abendstimmung auf großer Leinwand
■ Italien ist und war kein Land für Schwarzmaler. Eine Ausstellung über eine alte Toskana-Fraktion in Bremerhavens Kunsthalle lüftet jetzt das Geheimnis, wie der deutsche Wald plötzlich einen Campagna-Hintergrund bekam
Es ist ein Glücksfall für den Bremerhavener Kunstverein, dass sich in seiner ungewöhnlich bunten und jungen Sammlung ein Bild befindet, mit der eine Spur ins 19. Jahrhundert und zu der Italien-Sehnsucht einer ganzen Künstler-Gruppe gelegt ist. Oswald Achenbach (1827-1905) hat 1882 die Engelsburg in Rom gemalt, Abendstimmung auf großer Leinwand. Er war nicht der Einzige, den es – mit Goethes „Italienischer Reise“ im Gepäck – in das Land zog, wo der Himmel offener ist und die Farben intensiver leuchten als in der kälteren Heimat.
Der Italienbesuch gehörte im 19. Jahrhundert zum Bestandteil der Ausbildung deutscher Landschaftsmaler. Das galt auch für die Düsseldorfer „Compagnie“, eine Künstler-Gruppe, die Mitte des Jahrhunderts an der königlich-preußischen Kunstakademie im Provinzstädtchen Düsseldorf das Handwerkszeug erlernte. Die Kunsthistorikerin und Ausstellungsmacherin Martina Sitt hat sich auf die Spur dieser Düsseldorfer Malerschule begeben und Bilder der Compagnie auf eine Reise um die Welt geschickt, die von Düsseldorf über Rom und New York gegangen ist und jetzt in Bremerhaven endet. Kleine und großformatige Ölgemälde, Skizzen und Zeichnungen, größtenteils aus dem bisher wenig erforschten Zeitraum 1830-1860.
Die Düsseldorfer, die damals für Wochen oder Monate nach Rom zogen, kamen aus einer konventionell-akademischen Tradition, sie waren keine „Freilicht-Maler“. Johann Wilhelm Schirmer (1807 - 1863), der Älteste unter ihnen, malt die „große italienische Waldlandschaft“ im Atelier, aber hinter dem deutschen Eichenwald lugt die italienische Campagna hervor, und darüber erscheint ein Licht, dessen intensives Leuchten der Reisende nicht einfach erfunden haben kann. Als er mit 27 Jahren nach Rom ging, nahm er für seine Ausflüge zwischen Villen und Ruinen der Stadt kleinformatige Pappen mit, auf denen er skizzenhaft festhielt, was er sah, er wollte so schnell sein wie das schnell wechselnde römische Licht. Diese Öl-Skizzen, von denen einige in der Kunsthalle zu sehen sind, waren in seinen Augen keine fertigen Werke. Für ihn, den Professor für Landschaftsmalerei in Düsseldorf, waren sie Anschauungsmaterial, das er seinen Studenten mitbrachte. Für Schirmer, sagt Martina Sitt, „wäre es unverständlich gewesen, dass wir so etwas aufhängen“.
Bei Recherchen in Rom hat sie stapelweise unausgewertete Aufzeichnungen entdeckt, die minutiös die Begegnungen unter den Mitgliedern der deutschen Kolonie dokumentieren. Die ewige Stadt und ihre Umgebung waren nicht nur idealer Anschauungsort, sondern Kontaktbörse zwischen Künstlern und Mäzenen. Was Oswalds älterer Bruder Andreas dort malerisch lernte, lässt sich an einer „römischen Landschaft“ von 1844 entdecken: Das italienische Licht verlangt nach Abstufungen. Weil Schatten nicht gleich Schatten ist, legt Andreas Achenbach einen blauen Schimmer auf den dunklen Berg und seinen Bruder Oswald mahnt er brieflich: „Hüte dich vor dem Schwarz!“
Oswald hat sich bei seinen zahlreichen Rom-Aufenthalten vor allem für die Abend- und Nachtstimmungen interessiert und dabei nicht bedacht, wie stark seine Bilder nach 100 Jahren nachdunkeln würden, was die Ausstellung beispielhaft belegt. Um für seine Gemälde die richtigen Farben zu treffen, sammelte er alte Stofffetzen, die er auf die noch auszumalenden Skizzen klebte. Neben Schirmer und den Achenbach-Brüdern sind in Bremerhaven ein Dutzend weitere Vertreter der Düsseldorfer „Compagnie“ zu sehen, die nach ihren italienischen Reisen nicht mehr so malen konnten wie vorher: Das Licht im deutschen Wald hatte sich ein für alle Mal verändert. Hans Happel
„Auf Goethes Spuren Die Düsseldorfer ,Compagnie' in Rom 1830-1860“, Kunsthalle Bremerhaven (Karsburg 4), bis 29. Oktober, Di-Fr: 14-18 Uhr, Sa+So: 11-13 Uhr
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