: Breite Schultern tragen mehr
■ Amt für Jugend verteidigt Kita-Gebühren. 60 Prozent zahlten 1999 Mindestsatz
Jugendamts-Chefin Vera Birtsch findet, das neue Elternbeitragsrecht für Kindergärten sei doch eine Reform, die „viel Gutes“ verspreche – aller öffentlichen Kritik zum Trotz. Bei einem Hintergrundgespräch zum Thema Kita-Gebühren stellte sie fest, die derzeitige Diskussion in den Medien habe einen „anderen Charakter“ als die interne.
Mit dem ab 1. August gültigen Gesetz würden „Ungerechtigkeiten beseitigt“, da Nutzer von Halbtagskindergartenplätzen bisher verhältnismäßig mehr zahlen mussten als Nutzer von Ganztagsplätzen. So endet der Höchstbetrag für eine vierstündige Betreuung künftig bei 300 Mark. Bisher mussten Eltern mit einem Einkommen über 8500 Mark brutto den Selbstkostenpreis zahlen, bis zu 600 Mark.
Dass Eltern „in Einzelfällen“ nun doch mehr zahlen, liege daran, dass sie sich bisher selbst einschätzen konnten und dies „niedriger war, als sie es hätten tun müssen“. Birtsch räumte ein, dass in Hamburg „Eltern, die gut verdienen, viel zahlen müssen“. So liegt der Höchstsatz für einen Ganztagsplatz in der Hansestadt bei 775, in Berlin bei 560 Mark. Allerdings sei der Durchschnittsbeitrag mit 126 Mark ähnlich dem anderer Städte.
„Die Eltern mit breiteren Schultern tragen mehr“, ergänzt der zuständige Abteilungsleiter Jürgen Näther. Rund 60 Prozent der Hamburger Eltern seien „Mindestsatzzahler“, nur der Rest liege darüber. Allerdings sind dies alte Daten aus der Zeit vor Inkraftreten des Gesetzes. Neuere liegen nicht vor. Insgesamt tragen Hamburgs Eltern 14 Prozent der Kita-Kosten, den Rest die Stadt. Birtsch: „Da ist zu bewerten, ob das viel oder wenig ist.“
Für Familien, die künftig mehr zahlen, weil das Baukindergeld als Einkommen gewertet wird, hat die Behördenspitze nicht allzuviel Verständnis. Schließlich bilden die ja Eigentum. Ebenso hält man es nicht für opportun, Mietkosten zu berücksichten. Jürgen Näther: „Sollen Eltern belohnt werden, die lieber an der Alster wohnen als in Mümmelmannsberg?“
Und auch bei der krassesten Ungerechtigkeit des neuen Gesetzes wird es wohl bleiben. Eltern – in der Regel Väter –, die für Kinder aus erster Ehe Unterhalt zahlen, können dies bei der Berechnung der Kita-Gebühren nicht geltend machen. Das Geld, das sie abführen müssen, gilt weiter als Einkommen. Ein Kind könne bei der Einkommensberechnung nur dem Haushalt zugeordnet werden, in dem es lebt, erklärt Behördenreferent Jan Woelky. Das sei das Ergebnis eines Gerichtsverfahrens, bei den sich Mutter und Vater darum stritten. Eine unbürokratische Lösung zur Entlastung der zahlreichen Patchwork-Familien in dieser Stadt ist nicht geplant.
Kaija Kutter
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen